Gießen (epd). Die Staatsanwaltschaft Gießen hat Anklage gegen einen 98 Jahre alten Mann aus dem hessischen Main-Kinzig-Kreis erhoben, der als Mitglied einer SS-Wachmannschaft an der grausamen Ermordung von KZ-Häftlingen beteiligt gewesen sein soll. Die Anklage laute auf Beihilfe zum Mord in über 3.300 Fällen, teilte die Ermittlungsbehörde am Freitag mit. Der Beschuldigte gelte aufgrund eines bereits Ende 2022 eingeholten psychiatrischen Gutachtens „zumindest als eingeschränkt verhandlungsfähig“.
Der Mann sei deutscher Staatsbürger und von Juli 1943 bis Februar 1945 im Konzentrationslager Sachsenhausen eingesetzt gewesen. Weil der mutmaßliche KZ-Wächter zur Tatzeit noch keine 21 Jahre alt war, wird in dem Verfahren Jugendstrafrecht angewandt. Die Jugendstrafkammer des Landgerichts Hanau muss darüber entscheiden, ob die Anklage zugelassen wird und es zu einem Hauptverfahren kommt.
Erst im April 2023 war noch ein ehemaliger Wachmann des KZ Sachsenhausen vom Landgericht Neuruppin wegen Beihilfe zum vielfachen Mord verurteilt worden. Der Mann verstarb jedoch im Alter von 102 Jahren, bevor der Bundesgerichtshof über die von der Verteidigung eingelegte Revision entschieden hatte.