Ampel einigt sich auf abgespeckte Kindergrundsicherung

Ampel einigt sich auf abgespeckte Kindergrundsicherung
Nach langen Verhandlungen haben Paus und Lindner einen Kompromiss zur Kindergrundsicherung vorgestellt. Einige Leistungen für Familien, die Unterstützung brauchen, werden verbessert - aber Kinderarmut wird ein Thema bleiben, sagen Sozialverbände.
28.08.2023
epd
Von Bettina Markmeyer (epd)

Berlin (epd). Nach ihrer Einigung auf die Finanzierung der Kindergrundsicherung haben sich sowohl Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) als auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) mit dem Kompromiss zufrieden gezeigt. Für das Einführungsjahr 2025 sollen 2,4 Milliarden Euro vorgesehen, erklärten sie am Montag in Berlin. Sozial- und Kinderschutzverbände reagierten weit überwiegend mit Enttäuschung. Der Umbau der Familienleistungen reiche nicht aus, um Kinderarmut wirksam zu bekämpfen.

Paus sprach von zum Teil „sehr harten Verhandlungen“, aber es habe sich gelohnt. „Die neue Kindergrundsicherung kommt“, sagte sie. Paus bekommt 400 Millionen Euro mehr, als Lindner zur Verfügung stellen wollte, aber deutlich weniger, als bis zu sieben Milliarden Euro, die sie zuletzt gefordert hatte. Wegen des monatelangen Streits hatte Paus vergangene Woche Lindners Gesetz zu Steuererleichterungen für Unternehmen aufgehalten.

Paus erklärte, sie gehe von einer zunehmend stärkeren Inanspruchnahme der Leistungen aus, dann erhöhten sich nach 2025 auch die Ausgaben. Das betrifft vor allem den Kinderzuschlag, der Eltern zusteht, die so wenig verdienen, dass sie ohne den Zuschlag Bürgergeld für ihre Kinder beantragen müssten. Für das Jahr 2028 rechne sie mit Ausgaben von bis zu sechs Milliarden Euro, sagte die Grünen-Politikerin. Insgesamt komme die Kindergrundsicherung Kindern aus 5,6 Millionen armutsbedrohten Familien zugute.

In der Kindergrundsicherung sollen Familienleistungen zusammengefasst, vereinfacht und automatisch ausgezahlt werden. Dazu zählen das Kindergeld, der Kinderzuschlag von bis zu 250 Euro im Monat, die Sozialhilfe und das Bürgergeld für Kinder. Anders als von Paus gewünscht, werden die Sachleistungen für Schulsachen und Freizeit nicht in Pauschalen umgewandelt. Eltern müssen also weiterhin die Hilfen für Schulsachen und den Teilhabe-Betrag für Freizeitaktivitäten der Kinder von 15 Euro im Monat extra beantragen.

Alleinerziehende mit Bürgergeld sollen bessergestellt werden, indem ihnen mehr vom Unterhalt für ihre Kinder bleiben soll. Sobald die Kinder das Schulalter erreicht haben, wird diese Neuerung nur beibehalten, wenn der alleinerziehende Elternteil für mindestens 600 Euro im Monat sozialversicherungspflichtig arbeitet. Lindner sagte, es dürfe von höheren Beträgen für die Kinder nicht das Signal ausgehen, sich nicht selbst um den Lebensunterhalt zu kümmern. „Deshalb haben wir auch keine generellen Leistungsverbesserungen verabredet“, sagte Lindner.

Sozial- und Kinderschutzverbände reagierten verhalten bis enttäuscht. Die Präsidentin des Kinderschutzbundes, Sabine Andresen, urteilte, das Konzept der Regierung sei „mutlos und schafft nicht den erhofften Beitrag zur Bekämpfung der Kinderarmut“. Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, erklärte, es seien zu viele Abstriche an den ursprünglichen Zielen der Kindergrundsicherung gemacht worden. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie kritisierte, mit 2,4 Milliarden Euro mehr lasse sich keine armutsfeste Kindergrundsicherung schaffen. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, begrüßte die Einigung, schränkte aber ein, entscheidend werde sein, was bei den von Armut betroffenen Familien ankomme.

Der Caritasverband bezeichnete die Einigung als überfällig, mahnte aber, bei der Umsetzung müssten Familien mit kleinen Einkommen im Zentrum stehen. Der Verband der SOS-Kinderdörfer kritisierte, mit dem vorliegenden Entwurf werde Armut verwaltet, statt Fortschritt gestaltet, und der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, bemängelte, nennenswerte Leistungsverbesserungen für Kinder, die auf Bürgergeld angewiesen sind, seien offenbar nicht vorgesehen.

Die Kommunen kritisierten, das Konzept stelle die Verwaltungen vor enorme Herausforderungen und Kosten. Statt dreistellige Millionenbeträge in den Aufbau neuer Bürokratie zu stecken, wäre es deutlich einfacher, das Bürgergeld für Kinder zu erhöhen, erklärte der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager.