Berlin (epd). Das seit dreieinhalb Jahren geltende Klimaschutzgesetz soll abgeschwächt werden. Das Bundeskabinett brachte am Mittwoch in Berlin eine Reform von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf den Weg, mit der die verbindlichen jährlichen Sektorziele für die Bereiche Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft abgeschafft werden. Anstelle der zuständigen Ministerien muss künftig die Bundesregierung insgesamt gegensteuern, wenn Klimaziele verfehlt werden. Das gilt aber erst, wenn der Treibhausgasausstoß in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zu hoch war. Habeck betonte dennoch, „die Bundesministerien, deren Sektoren zur Überschreitung beitragen, behalten eine besondere Verantwortung“.
Das Klimaschutzgesetz in der noch geltenden Fassung hat immer wieder zu Streit in der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP geführt. In den vergangenen beiden Jahren wurden in den Bereichen Verkehr und Gebäude die Klimaziele verfehlt. In diesem Fall müssen die zuständigen Ministerien nach aktuellem Recht Sofortprogramme vorlegen, damit der CO2-Ausstoß bis 2030 um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 sinkt.
Für den Gebäudesektor legten das Bauministerium und das Wirtschaftsministerium einen gemeinsamen Maßnahmenplan vor. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) präsentierte zwar ebenfalls ein Sofortprogramm, dieses wurde vom Expertenrat für Klimafragen aber als völlig unzureichend zurückgewiesen. Seither legte Wissing keine neuen Pläne vor.
Ein Bündnis aus mehr als 40 Verbänden kritisierte die Reform und forderte den Bundestag auf, das Klimaschutzgesetz „nachzuschärfen“. Die politische Geschäftsleiterin der Klima-Allianz Deutschland, Stefanie Langkamp, betonte, mit dem Streichen der Sektorziele „kauft die FDP ihren Verkehrsminister davon frei, seinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“. Sie bezeichnete die Novelle als „Lex Wissing“.
Außerdem hat sich das Bundeskabinett mit dem Klimaschutzprogramm befasst. Dieses Programm enthält Maßnahmen, die laut Habeck das deutsche Klimaziel für 2030 „erstmals in Reichweite“ rücken lässt. Darunter sind unter anderem der Ausbau der Windkraft, das geplante Heizungsgesetz, das Deutschland-Ticket, ein CO2-Aufschlag auf die LKW-Maut sowie die Erweiterung des Straßenverkehrsgesetzes um Umweltschutz und Gesundheit, damit Städte und Gemeinden etwa im Umgang mit Parkplätzen oder bei der Einführung von Tempo-30-Zonen mehr Spielraum bekommen.
Der deutsche Treibhausgas-Ausstoß soll bis 2030 um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. 2022 wurden insgesamt etwa 746 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt. 2030 liegt die erlaubte Jahresemissionsgesamtmenge bei 440 Millionen Tonnen. Allerdings reichen alle inzwischen beschlossenen und vereinbarten Maßnahmen immer noch nicht aus, um das Klimaziel zu erreichen. Ohne weitere Beschlüsse würde das Ziel einer Projektion zufolge um etwa 200 Millionen Tonnen verfehlt. Problembereiche sind die Sektoren Verkehr und Gebäude.
Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Klimaneutralität erreicht ein Land, wenn es nur noch so viel Treibhausgase ausstößt, wie es durch natürliche und technische Mittel wieder ausgleicht.