Hannover, Berlin (epd). Junge Europäerinnen und Europäer blicken einer Studie zufolge zunehmend pessimistisch auf ihre Zukunft. Sie glauben mehrheitlich nicht mehr daran, dass sie es besser haben werden als ihre Eltern, wie die repräsentative Studie „Junges Europa“ der in Hannover ansässisgen TUI-Stiftung ergeben hat. Dabei sei die Entwicklung schleichend, sagte der Politikwissenschaftler Thorsten Faas am Donnerstag bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Einen einschneidenden „Ukraine“- oder „Corona-Effekt“ gebe es nicht.
„Das Lebensgefühl junger Europäer und Europäerinnen trübt sich längerfristig und kontinuierlicher ein“, sagte der Forscher von der Freien Universität Berlin, der die Studie wissenschaftlich begleitet hat. „Eine plötzliche Trendumkehr ist nicht sehr wahrscheinlich.“ Laut der Studie wächst unter den 16- bis 26-Jährigen zudem ein Empfinden von Ungleichheit mit Blick auf das Einkommen, aber auch bei den Aspekten Wohnen oder Karrieremöglichkeiten. Die Zufriedenheit mit der Demokratie dagegen nehme ab, insbesondere was die nationale Politik angehe. Die Europäische Union genieße demgegenüber größeres Vertrauen.
Das Meinungsforschungsinstitut YouGov befragte für die Studie den Angaben zufolge im März mehr als 7.000 Menschen zwischen 16 und 26 Jahren in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und Polen. 52 Prozent von ihnen waren der Meinung, dass es ihnen schlechter gehen werde als ihren Eltern. Nur 22 Prozent glauben an eine Verbesserung. Auch in Polen und Deutschland, wo junge Menschen den Befunden zufolge in den Jahren zuvor immer deutlich optimistischer in die Zukunft blickten, sei die positive Grundstimmung vorbei. Die Stiftung gibt die Befragung eigenen Angaben zufolge seit 2017 regelmäßig in Auftrag.
In Deutschland betrachteten junge Menschen 2017 noch zu 64 Prozent ihre Situation „eher oder sehr optimistisch“. 2023 waren es nur noch 56 Prozent. Unter deutschen Jugendlichen glauben derzeit 44 Prozent an eine Verschlechterung und 27 Prozent an eine Verbesserung hinsichtlich ihres Einkommens und Lebensstandards im Vergleich zu ihren Eltern. Insgesamt sinkt der Optimismus - vor allem bei Jugendlichen in Polen, Griechenland und Großbritannien.
Dabei hat die nationale Wirtschaftslage offenbar einen stärkeren Einfluss auf die Weltsicht als die persönliche finanzielle Situation, hieß es. Soziale Unterschiede sind jungen Europäerinnen und Europäern sehr bewusst, und das unabhängig vom eigenen wirtschaftlichen Wohlstand. 68 Prozent sagen, das Einkommen im eigenen Land sei „sehr“ oder „eher“ ungleich verteilt. Chancen-Ungleichheit herrscht nach Ansicht der jungen Menschen auch in den Bereichen Schule und Bildung.
Die Geschäftsführerin der TUI Stiftung, Elke Hlawatschek, mahnte: „Auf der einen Seite ist es gesellschaftlicher Konsens, dass Bildung der beste Weg ist, um ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben zu führen. Auf der anderen Seite stellen diejenigen dem Bildungssystem ein miserables Zeugnis aus, die doch von ihm profitieren sollen.“ Dies trage auch zum schwindenden Vertrauen in die politischen Institutionen bei.
Ein Viertel der jungen Europäer und Europäerinnen (26 Prozent) fühlt sich „überhaupt nicht“ von der Politik vertreten, ein Drittel „kaum“ (33 Prozent). Im Ländervergleich schneidet Deutschland hier noch am positivsten ab: Nur 18 Prozent sagen, sie fühlten sich „überhaupt nicht“ von der Politik vertreten. 31 Prozent votierten für „kaum“. Insgesamt nimmt laut der Studie die Politikverdrossenheit und grundlegende Skepsis zu - und damit die Empfänglichkeit für populistische Argumente. Dies trifft vor allem in Großbritannien, Griechenland und Polen zu.