Berlin (epd). Einen Tag vor den Beratungen der EU-Innen- und Justizminister über die geplante Reform des Asylsystems in der Europäischen Union warnen Kirchenvertreter, Sozialverbände und Wissenschaftler vor einer Schwächung des Flüchtlingsschutzes. Der Beauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Flüchtlingsfragen, Bischof Christian Stäblein, appellierte am Mittwoch an die EU-Innenminister, „Mut zu einer humanen Flüchtlingspolitik“ zu zeigen. Die Reform müsse den Flüchtlingsschutz stärken und die Effektivität des Asylsystems verbessern, forderte Stäblein.
„Verpflichtende Grenzverfahren und die Verlagerung des Flüchtlingsschutzes in Länder außerhalb der EU durch die Ausweitung der Liste sicherer Drittstaaten, lehne ich ausdrücklich ab“, erklärte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Der Zugang zu Asylverfahren auf europäischem Boden müsse gewahrt bleiben.
Deutschland unterstützt die EU-Kommissions-Pläne, die unter anderem Schnellverfahren zur Klärung des Asyl-Anspruchs an den EU-Außengrenzen und erleichterte Abschiebungen in Drittstaaten vorsehen. Die Bundesregierung strebt zugleich verbindliche Vereinbarungen über die Verteilung von Flüchtlingen oder zumindest Ersatzzahlungen von Ländern an, die keine Asylbewerber aufnehmen wollen. Darüber wird seit Jahren gerungen; ob es am Donnerstag und Freitag in Luxemburg zu einer Einigung kommt, ist offen. Die Ampel-Regierung sieht sich insbesondere für ihr Ja zu den Grenzverfahren zunehmender Kritik ausgesetzt, auch von Grünen- und SPD-Mitgliedern.
Der Rat für Migration unterstützte die Kritikerinnen und Kritiker. Die Wissenschaftler-Vereinigung erklärte in Berlin, keine Reform sei besser als eine, die die Probleme in der EU-Asylpolitik noch verschärfen werde. Der Vorstandsvorsitzende des Rates, Vassilis Tsianos, forderte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf, in Luxemburg gegen die Reformpläne zu stimmen. Sie würden nicht zu einem gemeinsamen Asyl-System führen, sondern die Spaltung Europas in der Asyl- und Migrationspolitik weiter vertiefen, prognostizierte der Migrations-Rat.
Der Rat kritisierte, das Dublin-System, das die EU-Grenzstaaten besonders belastet, werde nicht reformiert, sondern im Kern noch verschärft. Die geplanten Grenzverfahren seien Schnellverfahren unter Haftbedingungen. Kinder und Familien von diesen Asyl-Schnellprüfungen auszunehmen, wie Deutschland es wolle, sei ein sinnvoller Ansatz, erklärte Marei Pelzer von der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. Doch sei nicht abzusehen, ob die deutsche Innenministerin dafür genügend Unterstützung bei ihren EU-Amtskollegen erhalten werde.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, in der sich die großen Wohlfahrtsverbände in Deutschland organisiert haben, warnte die Bundesregierung angesichts der geplanten erleichterten Abschiebungen in Drittstaaten, die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz dorthin auszulagern. Dies könne „verheerende Folgen für die Wahrung und den Stellenwert von Menschenrechten in der Europäischen Union haben.“ Deutschland müsse der Ausweitung sicherer Dritt- und Herkunftsstaatenregelungen klar widersprechen, forderten die Verbände, darunter die Diakonie und der Caritasverband.