Wiesbaden, Berlin (epd). Knapp die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland sind in einem tarifgebundenen Betrieb beschäftigt. Wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte, arbeiteten im vergangenen Jahr rund 49 Prozent der Arbeitnehmer in einem Betrieb mit Tarifbindung. Dabei bestehen deutliche Unterschiede zwischen den Branchen.
Die Tarifbindung bildet den Anteil der Beschäftigung in tarifgebundenen Betrieben an der Gesamtbeschäftigung ab. Als tarifgebunden wird ein Betrieb dann bezeichnet, wenn ein Branchen- oder Firmentarifvertrag Anwendung findet.
Die höchste Tarifbindung gibt es demnach im Bereich Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung mit 100 Prozent. Es folgen Energieversorgung (85 Prozent), Erziehung und Unterricht (82 Prozent) und Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (75 Prozent). Die Wirtschaftsbereiche mit der geringsten Tarifbindung im Jahr 2022 waren Land- und Forstwirtschaft, Fischerei (11 Prozent), Gastgewerbe (20 Prozent), Kunst, Unterhaltung und Erholung (21 Prozent) sowie Grundstücks- und Wohnungswesen (22 Prozent).
Die Bundesregierung hat explizit eine verbesserte Tarifbindung im Handwerk als Ziel im Koalitionsvertrag festgehalten. Rund 42 Prozent aller Beschäftigten im Handwerk waren den Angaben zufolge 2022 in einem tarifgebundenen Betrieb beschäftigt. Dabei gibt es Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland: Während die Tarifbindung in Ostdeutschland nur 32 Prozent betrug, lag sie in Westdeutschland bei 43 Prozent.
Die niedrigsten Tarifbindungen insgesamt wiesen Berlin und Sachsen mit jeweils 43 Prozent auf sowie Thüringen mit 45 Prozent. Die höchsten Tarifbindungen waren in Bremen (56 Prozent) und im Saarland (53 Prozent) zu verzeichnen.
„Rund 20 Millionen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland sind tarifvertraglich geregelt. Bezieht man die Unternehmen mit ein, die sich an Tarifverträgen orientieren, sind es sogar 75 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter. Die neuen Daten seien Ausdruck gelebter Sozialpartnerschaft, „die wir stärken und für die Zukunft weiter ausbauen wollen“.
Er warb für moderne Tarifverträge und verlässliche Tarifpartner: „Ständige politische Einmischungen des Gesetzgebers wird die Tarifbindung nicht fördern. Jeder Sozialpartner muss seine organisatorischen Herausforderungen selbst und nicht mit Hilfe des Staates lösen“, betonte Kampeter.
Die Linkspartei sieht die Quote der Tarifbindung dagegen kritisch. Weniger als die Hälfte der Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben sei „eine besorgniserregende Entwicklung“, erklärte Pascal Meiser, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Partei. Die Bundesregierung dürfe nicht länger tatenlos zusehen, wie sich „immer mehr Unternehmen der Tarifbindung entziehen und sich so schmutzige Wettbewerbsvorteile gegenüber denjenigen Konkurrenten verschaffen, die nach Tarif zahlen“. Meiser warb für einen umfassenden Aktionsplan, der es auch erleichtere, per Allgemeinverbindlichkeitserklärung Tarifverträge auf ganze Branchen zu übertragen.