Zerbst (epd). An der Ruine der St. Nicolai-Kirche in Zerbst (Sachsen-Anhalt) ist am Donnerstag ein Gegendenkmal zur Schmähplastik der „Judensau“ enthüllt worden. „Der Antisemitismus ist eine Schuld, die wir als Christenmenschen seit Jahrhunderten mit uns tragen“, sagte der Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Joachim Liebig, bei der Enthüllung des Denkmals. „Als Kirchenpräsident, aber auch ganz persönlich bitte ich alle Opfer um Vergebung - wohlwissend, dass das Leid damit nicht geschmälert wird“, sagte Liebig.
Der Zerbster Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD) betonte, die Stele solle ein Ort werden, der zu Diskussionen anrege. Dazu rief auch der Künstler Hans-Joachim Prager auf, der die Stele gestaltet hat. „Wir erhalten hier die Möglichkeit, in einen Diskurs einzutreten, der durch Worte in die Gesellschaft hineingetragen wird“, sagte er.
Die 125 Zentimeter hohe Stele mit dem Titel „Reflexion“ wurde von einer Jury unter zehn Wettbewerbsbeiträgen ausgewählt. Das Kunstwerk ist als Lesepult gestaltet, wie es auch in einer Synagoge zu finden ist. An der Stirnseite ist unter anderem der erste Artikel des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ angebracht.
Die mittelalterliche Darstellung an der Kirche aus dem Jahr 1450 zeigt eine Sau, an deren Zitzen Menschen saugen, die Juden darstellen sollen. Die Darstellung ist an einem Pfeiler auf vier Metern Höhe angebracht. Die Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und ist seitdem eine gesicherte Ruine.