Ökonom sieht in hoher Inflation "ein großes soziales Problem"

Ökonom sieht in hoher Inflation "ein großes soziales Problem"
30.05.2023
epd
epd-Gespräch: Markus Jantzer

Düsseldorf (epd). Die hohe Inflation von aktuell 7,2 Prozent ist nach der Auffassung des Wirtschaftsforschers Sebastian Dullien „ein großes soziales Problem“. Sie sei auch deshalb problematisch, weil sie ärmere Haushalte besonders stark treffe. Der wissenschaftliche Direktor bei der Hans-Böckler-Stiftung geht aber davon aus, „dass die Preisschocks der letzten Zeit langsam abklingen. Wenn sich der Ukraine-Krieg nicht weiter zuspitzt, wird die Inflationsrate 2024 zwar noch über zwei Prozent liegen, aber nicht mehr sehr weit“, sagte der Ökonom dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die seit einem Jahr sehr hohe Inflation habe die Kaufkraft aller Privathaushalte in Deutschland geschwächt. Menschen mit niedrigeren bis mittleren Einkommen müssten dabei höhere Teuerungsraten schultern als Wohlhabende. „Das liegt daran, dass die größten Preistreiber Haushaltsenergie und Lebensmittel in ihren Warenkörben ein besonders hohes Gewicht haben“, sagte Dullien.

Verbraucherinnen und Verbraucher haben oft das Gefühl, dass die Teuerung deutlich größer ist, als sie von staatlichen Behörden angegeben wird. Die „gefühlte Inflation“ weiche von der offiziellen Statistik ab, wenn Güter, die häufig gekauft werden, stärker teurer werden als Güter, die seltener gekauft werden, erklärt Dullien. Die gefühlte Inflation sei allerdings durch die besonders stark wahrgenommenen Preissteigerungen verzerrt.

Laut Dullien ist es „sehr wichtig“, die Inflationsrate wieder in die Nähe von zwei Prozent zu bringen. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bundesregierung hätten Maßnahmen ergriffen, die wirkten: „Die Zinserhöhungen bremsen die Inflation ebenso wie beispielsweise die Energiepreisbremsen, und dieser Effekt wird in den kommenden Monaten noch zunehmen“, betonte Dullien.

Der Direktor der Hans-Böckler-Stiftung lobte die Ampel-Koalition und die Gewerkschaften. „Die Kombination aus den staatlichen Maßnahmen der vergangenen 18 Monate mit den sehr ausgewogenen jüngsten Tarifabschlüssen hilft eindeutig, die Kaufkraft zu stabilisieren.“ Es sei aber klar, dass der „brutale Anstieg der Energiepreise“ Deutschland ärmer gemacht habe. „Ein solcher Schock ist kurzfristig nicht vollständig auszugleichen.“

Dullien sieht die Preise nicht nur durch höhere Kosten getrieben. Vielmehr sprächen „einige Indizien dafür, dass steigende Gewinnmargen mancher Unternehmen aktuell signifikant zur Teuerung beitragen“. Seine Empfehlung: „Gegebenenfalls sollte die Politik über das Kartellrecht oder Übergewinnsteuern verhindern, dass sich eine Gewinn-Inflation verfestigt.“