Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist für die von der Ampel-Koalition geplante Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Er sei lange skeptisch gewesen, was die Absenkung des Wahlalters betrifft, sagte Steinmeier der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Mittwoch). Man dürfe aber die Augen nicht davor verschließen, „was sich verändert in unserem Land“, ergänzte er: „Wir stehen vor einer gewaltigen demografischen Verschiebung, bei der der Stimmanteil der Älteren erheblich wächst.“
In einer solchen Situation halte er es „nicht nur für notwendig, sondern für geboten, darüber nachzudenken, ob wir das Gewicht der Jüngeren durch eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre auch bei Bundestagswahlen ausgleichen“, sagte Steinmeier und verwies darauf, dass das in einer Reihe von Bundesländern bei Kommunal- und Landtagswahlen bereits Gesetzeslage sei.
SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag vereinbart, das Wahlalter für die Wahlen zum EU-Parlament und zum Bundestag von 18 auf 16 Jahre abzusenken. Was den Bundestag betrifft, ist dafür allerdings eine Grundgesetzänderung notwendig, für die die Ampel allein nicht genügend Stimmen hat.
Steinmeier hält am Donnerstag die Festrede bei den Feierlichkeiten zum 175. Jahrestag der Deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche in Frankfurt am Main. Die Paulskirche sei ein herausragendes Symbol der deutschen Demokratiegeschichte, sagte Steinmeier.
Gleichzeitig beklagte er, dass im Westen viele Menschen die Demokratie heute „vielleicht zu sehr“ für selbstverständlich nähmen. „Nach fast 75 Jahren Grundgesetz wird sie nicht mehr als Angelegenheit gemeinsamer Anstrengung verstanden“, sagte das Staatsoberhaupt. Dabei lebe Demokratie nur, wenn Menschen bereit seien, sich für sie zu engagieren. „Da geht eine Schere auseinander: Die Erwartung an Politik steigt, aber die Bereitschaft, sich vor Ort zu engagieren, sinkt“, sagte er. So wachse die Distanz zwischen den Menschen und den demokratischen Institutionen.
Steinmeier erneuerte auch seine Forderung nach einer sozialen Pflichtzeit. Sie sei für ihn ein „Kernthema der Demokratie“, sagte er.