Berlin (epd). Die Standpunkte von Bund und Ländern über die Aufteilung der Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen bleiben konfrontativ. Am Montag - zwei Tage vor einem Sondertreffen der Regierungschefinnen und -chefs - zeichnete sich kein Kompromiss ab. Die Länder beharren auf ihrer Forderung nach einem „atmenden System“, bei dem sich die finanzielle Unterstützung nach der Zahl der Flüchtlinge richtet. Der Bund weist dies mit Verweis auf bereits geleistete Unterstützung in anderer Form zurück. Die Bundesregierung appellierte zugleich an die Kompromissbereitschaft auf der anderen Seite.
Es bleibe eine gemeinsame Aufgabe, zu der Bund, Länder, Städte und Gemeinden gemeinsam aufgerufen sind, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Seit der Fluchtbewegung 2015 trägt auch der Bund Kosten für die Unterbringung und Versorgung für Flüchtlinge, für die eigentlich Länder und Kommunen allein zuständig sind. Seitdem gibt es regelmäßig Streit über die genaue Kostenteilung. Für dieses Jahr hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Ländern 2,75 Milliarden Euro zugesagt. 1,25 Milliarden Euro soll es künftig dauerhaft jährlich geben.
Die Länder fordern nun, zu dem bis 2021 praktizierten System einer Pro-Kopf-Pauschale für jeden Flüchtling zurückzukehren. „Atmendes System“ nennt es der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD). „Die finanziellen Mittel des Bundes müssen sich an der tatsächlichen Zahl der zu uns geflüchteten Menschen ausrichten, mit einmaligen Pauschalzahlungen ist es nicht getan“, erklärte er am Montag nach einem Austausch mit den kommunalen Spitzenverbänden. Bei den Kosten der Unterbringung drängten die Kommunen darauf, dass der Bund die Kosten wieder zu 100 Prozent übernimmt, erklärte Weil.
Die Bundesregierung verweist dagegen darauf, dass sich der Bund bereits deutlich stärker auch finanziell in der Flüchtlingspolitik beteiligt habe. Er werde in diesem Jahr mehr als 15 Milliarden Euro in diesem Bereich ausgeben, sagte Sprecher Hebestreit. Zudem trage der Bund 90 Prozent der Kosten, die für ukrainische Flüchtlinge anfallen. Anders als Asylbewerber im regulären System müssen sie kein Verfahren durchlaufen, sondern bekommen automatisch einen Aufenthaltsstatus und bei Bedarf Sozialleistungen wie das Bürgergeld, für die der Bund aufkommt.
Flüchtlinge aus der Ukraine machten 2022 den weit überwiegenden Anteil der Flüchtlinge aus. Allerdings steigt auch die Zahl Schutzsuchender aus anderen Kriegs- und Krisenregionen wieder an, für deren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz die Länder zahlen. 102.000 Erstanträge hat das Bundesamt für Migration von Januar bis Ende April dieses Jahres entgegengenommen - 78 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
„Leider ignoriert die Bundesregierung bisher weitgehend die Lage vor Ort“, formulierte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) seinen Vorwurf in Richtung Berlin. Hebestreit erkannte derweil an, es sei eine herausfordernde Situation. Der Bund habe aber auch an anderer Stelle unterstützt, etwa durch einen höheren Anteil bei den Kosten der Unterkunft für Sozialhilfeempfänger.
Im Streit um die Kostenteilung werden von beiden Seiten längst weitere Bereiche in die Argumentation einbezogen. So weisen die Landesfinanzminister in einem Papier, das dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, beispielsweise das Argument zurück, dass die Länder über die Jahre immer mehr von den Einnahmen der Umsatzsteuer bekommen haben. Es seien auch durch Bundesgesetze verursachte neue Aufgaben dazugekommen, heißt es in dem Papier. Zudem bleibe der Bund auf der Einnahmeseite unter seinen Möglichkeiten, heißt es darin weiter.
Unterstützung bekommen Länder und Kommunen auf Bundesebene derzeit offenbar nur von den Grünen. Deren Vorsitzende Ricarda Lang sagte der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ (Montag), es gebe ein gemeinsames Interesse, dass vor Ort gute Lösungen entstehen können. „Wenn dafür Unterstützung nötig ist, muss der Bund helfen, auch finanziell“, sagte sie.