Hamburg (epd). Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt im Fall der Amoktat in einer Gemeinde der Zeugen Jehovas gegen einen Mitarbeiter der Waffenbehörde der Hansestadt sowie gegen drei Mitglieder eines Sportschützenvereins. Sie habe die Wohnanschriften der vier Beschuldigten, der Arbeitsplatz des Mitarbeiters der Waffenbehörde sowie Räume des Schützenvereins „Hanseatic Gun Club“ durchsucht, teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag in Hamburg mit.
Die Ermittlungen beziehen sich auf den Fall des 35-jährigen Philipp F.. Es gilt als gesichert, dass F. am 9. März in einer Gemeinde der Zeugen Jehovas im Hamburger Stadtteil Groß Borstel sieben Menschen erschoss und weitere verletzte, bevor er sich selbst tötete. Er soll ehemaliges Mitglied der Zeugen Jehovas gewesen sein. Laut Staatsanwaltschaft bestehen gegen einen Mitarbeiter der Waffenbehörde „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für den Verdacht der fahrlässigen Tötung sowie der fahrlässigen Körperverletzung im Amt.
Der Mitarbeiter soll erstens Warnungen zu Philipp F., die er von einem Mitglied des „Hanseatic Gun Club“ erhalten haben soll, weder dokumentiert noch ordnungsgemäß innerhalb der Waffenbehörde weitergeleitet haben. Der Mitarbeiter des „Hanseatic Gun Club“ wiederum soll die Informationen aus dem familiären Umfeld F.s erhalten haben. Zweitens soll der Mitarbeiter nicht darauf hingewiesen haben, dass er um mögliche Urheber sowie weitere Hintergründe eines Schreibens wusste, das am 24. Januar anonym bei der Waffenbehörde einging. Von der Staatsanwaltschaft hieß es, er selbst habe dem Mitglied des „Hanseatic Gun Club“, der sich zuvor an ihn gewandt hatte, ein anonymes Schreiben als Form der Benachrichtigung vorgeschlagen.
In Unkenntnis dieser Punkte habe der zuständige Sachgebietsleiter der Waffenbehörde daraufhin nur eine unangekündigte Aufbewahrungskontrolle für die Schusswaffe von Philipp F. angeordnet, anstatt sich gezielt weitere Informationen zu verschaffen und die Waffe nebst Munition sicherzustellen.
Gegen drei Mitglieder des Prüfungsausschusses des „Hanseatic Gun Club“ ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts der Falschbeurkundung im Amt. Der Prüfungsausschuss habe Philipp F. blanko ein auf den 28. April 2022 datiertes Sachkundezeugnis ausgestellt. Tatsächlich soll Philipp F. die praktische Sachkundeprüfung jedoch nicht bestanden haben.
Eine reguläre nochmalige Anmeldung zur Prüfung und die Prüfung selbst erfolgten den Angaben nach nicht. Stattdessen soll ein Mitglied der Prüfungskommission am 24. Oktober 2022 eine angeblich erfolgreich verlaufene Nachprüfung vorgenommen haben, die anschließend mit dem Sachkundezeugnis vom 28. April 2022 gegenüber der Waffenbehörde dokumentiert wurde.
Darauf basierend hätte Philipp F. im Dezember 2022 mutmaßlich keine Waffenbesitzkarte erhalten und weder Waffe noch Munition besitzen dürfen, hieß es. Den Beschuldigten wird zudem angelastet, nicht nur betreffend Philipp F., sondern in einer Vielzahl von Fällen unzutreffende Sachkundezeugnisse ausgestellt und damit die Durchführung einer irregulären Nachprüfung gegenüber der Waffenbehörde verschleiert zu haben.