Berlin (epd). Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, sieht eine „Zeitenwende“ beim Thema Antidiskriminierung in Deutschland. Die Haltung in der Bevölkerung habe sich in den vergangenen Jahren „grundlegend geändert“, sagte Ataman am Dienstag in Berlin. Sie bezog sich auf eine aktuelle, repräsentative Studie der Bertelsmann Stiftung über die Einstellung verschiedener gesellschaftlicher Milieus zum Thema Diskriminierungsschutz und zu Diskriminierungserfahrungen.
Drei Viertel der Befragten gäben heute an, sich für Benachteiligungen bestimmter Gruppen in der Gesellschaft zu interessieren, sagte Ataman, und sogar 88 Prozent sähen Antidiskriminierung als wichtige politische Aufgabe. „Antidiskriminierung ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, folgerte Ataman. Es sei die Diskriminierung, die die Gesellschaft spalte, nicht das Engagement dagegen.
Die aktuelle Studie unter dem Titel „Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft“ dokumentiert den Wandel in der Einstellung und Wahrnehmung des Themas in den vergangenen 15 Jahren. Im Vergleich zu einer ähnlich ausgerichteten Befragung von 2008 hat sich die Aufmerksamkeit für Benachteiligungen in fast allen gesellschaftlichen Milieus deutlich erhöht. Zugleich berichten Menschen sehr viel häufiger von eigenen Diskriminierungserfahrungen. Die meisten sehen die Politik und die Behörden in der Pflicht, die Probleme anzugehen.
Ataman kritisierte, dass die Regierungskoalition von SPD, Grünen und FDP bisher die versprochene Reform des Antidiskriminierungsrechts noch nicht in die Wege geleitet habe. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) habe bisher weder Eckpunkte noch einen Gesetzentwurf vorgelegt, sagte sie. Die Gesellschaft fordere dies aber von der Politik ein, sagte Ataman.
Die Beauftragte bedauerte, dass immer noch 80 Prozent der Menschen in Deutschland die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nicht kennen und 60 Prozent nicht wissen, dass es rechtlichen Schutz und ein Gesetz gegen Diskriminierungen gibt, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Sie kündigte für den Herbst eine breite Informationskampagne an, nannte aber noch keine Details.
Für die Umfrage wurden den Angaben zufolge vom Sinus-Institut im Auftrag der Bertelsmann Stiftung rund 2.000 Menschen der deutschsprachigen Wohnbevölkerung ab 18 Jahren repräsentativ im Herbst 2022 online und telefonisch befragt. Für den Vergleich zu 2008 wurden Fragen aus der vom Sinus-Institut 2008 erstellten Studie „Diskriminierung im Alltag“ aufgegriffen.