Düsseldorf, Bonn (epd). Rund ein Zehntel der Erwerbstätigen in Deutschland arbeitet laut einer Studie suchthaft. Wer auf diese Weise arbeite, habe mehr gesundheitliche Probleme, gehe aber seltener zum Arzt, erklärte die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung zur Veröffentlichung der Untersuchung am Dienstag in Düsseldorf. Die Betroffenen arbeiteten nicht nur sehr lang, schnell und an unterschiedlichen Aufgaben zugleich - sie könnten auch nur mit schlechtem Gewissen freinehmen und fühlten sich unfähig abzuschalten und zu entspannen.
Die suchthaft Arbeitenden gaben laut Stiftung zu 28 Prozent an, ihr allgemeiner Gesundheitszustand sei „weniger gut“ oder sogar „schlecht“. Von den gelassen Arbeitenden, der Mehrheit der Erwerbstätigen, sagten dies nur 14 Prozent. Ähnlich sei die Selbsteinschätzung bei den zwar exzessiv, aber nicht zwanghaft Arbeitenden. Alle Arten von Gesundheitsbeschwerden seien bei den suchthaft Arbeitenden häufiger, hieß es in der Studie weiter. Dies gelte besonders für psychosomatische Beschwerden wie Schlafstörungen und Niedergeschlagenheit, aber auch für Muskel- und Skelettbeschwerden, wie etwa Rückenschmerzen.
Ein zwanghaftes Verhältnis zum Job attestierten die Forscher Erwerbstätigen, die Aussagen zustimmten wie „Es ist wichtig für mich, hart zu arbeiten, auch wenn mir das, was ich tue, keinen Spaß macht“, „Es fällt mir schwer zu entspannen, wenn ich nicht arbeite“ oder „Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir freinehme“.
Wer exzessiv und zwanghaft arbeite, gehe seltener zum Arzt, so die Böckler-Stiftung. Rund 30 Prozent aus dieser Gruppe habe mehr als sechs unbehandelte Beschwerden, bei den gelassenen Erwerbstätigen seien es nur 15 Prozent. 45 Prozent der suchthaft Arbeitenden meldeten sich im Jahr vor der Befragung an keinem einzigen Tag krank, bei den „Gelassenen“ waren es demnach 36 Prozent. Bei den suchthaft Arbeitenden sei von einem erhöhten Risiko für Burn-out und depressiver Verstimmungen auszugehen, folgerten die Autoren der Studie.
Die aktuelle Studie führten den Angaben zufolge Forscherinnen und Forscher des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Bonn und der Technischen Universität Braunschweig für die Böckler-Stiftung durch. Sie beruht auf Daten des BIBB und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, für die 2017 und 2018 gut 8.000 Erwerbstätige zu Arbeitsverhalten und Wohlbefinden befragt worden waren.