Mainz (epd). Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat im Ahrtal-Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags erneut eine persönliche Verantwortung für Fehler in der Flutnacht zurückgewiesen. „Ich hatte keine Kenntnis von der dramatischen Situation in dieser Flutnacht“, sagte sie bei ihrer zweiten Vernehmung durch den Ausschuss am Freitag. Nach der dreistündigen Befragung kritisierten Vertreter von CDU und AfD die Regierungschefin scharf und forderten sie auf, persönliche Konsequenzen zu ziehen.
Dreyer beteuerte mit Blick auf die nächtliche Flutkatastrophe, bis zum Morgen habe sie deren katastrophales Ausmaß nicht erkennen können und darauf vertraut, dass die örtlichen Katastrophenschutz-Strukturen gut auf das erwartete Hochwasser reagieren würden. Hinweise, „dass örtliche Behörden ihren Aufgaben teilweise nicht nachkommen“, habe es nicht gegeben. Die Ministerpräsidentin blieb damit weitgehend bei der Argumentation aus ihrer ersten Befragung vom April 2022.
Die Opposition im Landtag hatte mehrfach die mangelnde Kommunikation der Landesregierung in der Katastrophennacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 kritisiert und Dreyer unter anderem vorgeworfen, nicht bereits am Abend eine Krisensitzung der Regierung einberufen oder aktiv Kontakt zu den maßgeblichen Ressortchefs aufgenommen zu haben. Zwischen den beiden bei Hochwasser zuständigen Ressorts, dem Innen- und dem Umweltministerium, hatte es kaum Austausch gegeben.
Nach der Sitzung forderte der AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Michael Frisch, Dreyers Rücktritt: „Sie sollte aus Respekt vor den Opfern ihr Amt niederlegen.“ Der CDU-Abgeordnete Dirk Herber äußerte ebenfalls scharfe Krititk an Dreyer und legte ihr diesen Schritt nahe, vermied allerdings das Wort „Rücktritt“ auch auf mehrfache Nachfrage. Herber sprach von einem „beschämenden“ Auftritt Dreyers. Die Regierungschefin müsse selbst Konsequenzen aus ihrem Fehlverhalten ziehen, so wie zuvor ihre beiden ehemaligen Minister Roger Lewentz (SPD) und Anne Spiegel (Grüne), die zurücktraten.
Stephan Wefelscheid, Obmann der Freien Wähler im Untersuchungsausschuss, erklärte hingegen, man könne Dreyer für die Flutnacht keine Vorwürfe machen, die eine Rücktrittsforderung rechtfertigten. Es habe keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass ihre Minister die Situation nicht mehr unter Kontrolle hatten.
Vor Dreyers Befragung hatte der Berliner Bevölkerungsschutz-Experte Dominic Gißler der nach der Ahrtal-Flut eingerichteten Einsatzleitung durch die Aufsichts- und Dienstdirektion ADD zahlreiche Mängel bei der Arbeit bescheinigt. So hätten schlecht aufeinander abgestimmte Personalwechsel zu „großen Reibungsverlusten“ geführt, auch Sitzungen verschiedener Stäbe seien schlecht aufeinander abgestimmt worden, sagte der Professor der privaten Akkon-Hochschule. Die Schuld an Defiziten bei der Arbeit der Krisenstäbe in den Wochen nach der Flut könne man „nicht einzelnen Personen anlasten“. Gerade auch der lange, großflächige Totalausfall des Mobilfunknetzes habe den Einsatz vor Ort enorm erschwert. Mit der im Katastrophenmanagement üblichen Ausbildung hätten die Verantwortlichen kaum über die nötigen Fachkompetenzen verfügen können, um „diesen Einsatz führbar zu machen“.
Wann der Ausschuss seine Zeugenbefragungen abschließen und mit der Ausarbeitung seines Abschlussberichts beginnen wird, ist nach Aussage des Vorsitzenden Martin Haller (SPD) noch unklar. „Es dauert, solange es dauert“, sagte er am Freitagmorgen. Bei der Starkregen-Katastrophe im Juli 2021 waren allein im Ahrtal vermutlich 136 Menschen ums Leben gekommen.