Berlin (epd). Zwei Jahre nach der im Bundestag beschlossenen Strafverschärfung für die Verbreitung von Kinderpornografie will die Ampel-Koalition einem Medienbericht zufolge den Paragrafen zumindest teilweise wieder entschärfen. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Montag) berichtet, beraten Rechtspolitiker von SPD, Grünen und FDP über eine Neuregelung für Bagatellfälle. Richter und Staatsanwälte sollen dadurch entlastet werden.
Im März 2021 hatte der Bundestag beschlossen, sexuelle Gewalt gegen Kinder grundsätzlich als Verbrechen zu ahnden, womit die Mindeststrafe bei einem Jahr Freiheitsentzug liegt und eine Einstellung von Verfahren nicht möglich ist. Das gilt seitdem auch für den Besitz sowie die Verbreitung von Bildern und Filmen mit Missbrauchsdarstellungen. Einstellungen von Verfahren sind nicht möglich.
Dem Zeitungsbericht zufolge wird nun über jene Fälle beraten, deren Unrechtsgehalt geringer ist, etwa wenn Eltern, Lehrer oder Schüler auf Fälle von Kinderpornografie hinweisen, indem sie Missbrauchsdarstellungen weiterleiten, oder wenn Jugendliche einander Nacktfotos von sich selbst schicken. Nach geltendem Recht müssten sie zu einem Jahr Haft verurteilt werden.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, sagte der Zeitung: „Staatsanwälte brauchen die Möglichkeit, bei Bagatellfällen von der Strafverfolgung absehen zu können.“ Durch diese Fälle werde zu viel Personal gebunden, das dringend für die Verfolgung von schweren Sexualstraftaten benötigt werde.
Die Grünen-Rechtspolitikerin Canan Bayram plädiert dafür, in die Norm einen minderschweren Fall aufzunehmen, etwa für Konstellationen, bei denen der Altersunterschied zwischen Täter und Opfer gering ist und die Betroffenen die Abbildung selbst angefertigt haben. „Das Strafrecht muss Ultima Ratio bleiben, und die Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen die Möglichkeit haben, auf die verschiedenen Fallkonstellationen tat- und schuldangemessen reagieren zu können“, sagte Bayram der Zeitung.
Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Stephan Thomae, sieht Handlungsbedarf. „Die Rechtsprechung kommt mit der letzten Reform nicht zu sachgerechten Ergebnissen“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Die Pläne stoßen auf Zustimmung bei Richtern und Anwälten. Staatsanwaltschaften und Gerichte müssten sich mit einer Flut von Fällen befassen, die eigentlich nicht vor die Strafgerichte gehörten, erklärte der Deutsche Richterbund. Er bezeichnete die Verschärfung als „verunglückte Reform“, die viel Personal in der Strafverfolgung binde, das gebraucht werde, um Pädokriminelle zu überführen und zu verurteilen. Der Richterbund sprach sich dafür aus, die zum Verbrechen hochgestuften Tatbestände der Kinderpornografie wieder zum Vergehen herabzusetzen.
Auch der Deutsche Anwaltverein erklärte, die Strafverschärfung trage nicht dazu bei, den Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt zu verbessern. Sie habe eher dazu beigetragen, „dass zum Beispiel Eltern, die aus Sorge entsprechende Bilder in einem Chat mit anderen Eltern geteilt hatten, oder eine selbst Geschädigte, die nur Beweise hatte sichern wollen, strafrechtlich belangt wurden“, erklärte der Verband.