Studie: In Krisen wird eher auf Familie als auf Religion gesetzt

Studie: In Krisen wird eher auf Familie als auf Religion gesetzt
Religionssoziologe: Soziales Engagement der Kirche wird geschätzt
Bei der Bewältigung von Krisen spielt laut einer Studie Religion für die meisten Menschen nur eine geringe Rolle. Experten sehen in ihr jedoch auch eine soziale Kraft, die gerade in Krisen Hilfsbereitschaft fördern kann.

Gütersloh, Münster (epd). Rund ein Drittel der Deutschen ist überzeugt, dass Religion für sie hilfreich bei der Bewältigung der Corona-Pandemie gewesen ist. Die Mehrheit vertraute hingegen auf Familie (90 Prozent), Wissenschaft (85 Prozent) und Nachbarschaft (74 Prozent), wie aus dem am Donnerstag in Gütersloh veröffentlichten Religionsmonitor 2023 der Bertelsmann Stiftung hervorgeht. Die Politik wurde von 48 Prozent als hilfreich angesehen. Zugleich erfahre kirchliches soziales Engagement eine hohe Wertschätzung, sagte der Religionssoziologe Detlef Pollack.

Für jeden dritten Katholiken (34 Prozent) sowie Protestanten (32 Prozent) sei Religion bei der Krisenbewältigung hilfreich gewesen, heißt es in der Studie. Unter Muslimen war der Anteil mit 73 Prozent mehr als doppelt so groß. Ein fast ebenso hoher Wert wurde bei evangelikal-freikirchlichen und pfingstkirchlichen Gruppen verzeichnet.

Während der Corona-Pandemie hat dem Religionsmonitor zufolge etwa ein Drittel der Befragten vermehrt über den Sinn des Lebens nachgedacht. Die Menschen hätten aber deshalb nicht mehr gebetet oder meditiert. Die Häufigkeit sei relativ unverändert geblieben, hieß es. Religion habe vor allem den Menschen Kraft und Orientierung gegeben, die schon vor der Pandemie religiös waren, hieß es. Ein strafendes Gottesbild, nach dem Schicksalsschläge religiös gedeutet würden, finde sich in Deutschland nur bei einer Minderheit.

Drei Viertel der Befragten gaben an, in der Corona-Pandemie auch oft Solidarität und Hilfsbereitschaft gezeigt zu haben. In dieser Gruppe seien religiöse Menschen überproportional häufig vertreten, erklärte die Religionsexpertin der Bertelsmann Stiftung, Yasemin El-Menouar. Religion sei eine soziale Kraft, die in Krisenzeiten das Engagement für andere stärken könne, erklärte sie. Religiöse Strukturen, wie Gemeinden in der Nachbarschaft, könnten eine wichtige soziale Quelle sein, wie der Religionsmonitor zeige.

Religion werde von den meisten nicht als zuständig angesehen, um aktuelle Krisen zu bewältigen, sagte der Religionssoziologe Pollack, der an der Studie mitgearbeitet hat. Zugleich sei das Engagement der Kirchen und Christen für Kranke, Arme und Notleidende hoch, dies werde von der Mehrheit der Bevölkerung auch geschätzt. „Die Kirche ist immer dann attraktiv, wenn sie nah bei den Menschen ist und sie in ihren alltäglichen Problemen begleitet, etwa auch in der Seelsorge“, unterstrich Pollack.

Die Veröffentlichung über die Rolle der Religion bei der Krisenbewältigung ist Teil des Religionsmonitors 2023. Dafür wurden im Juni und Juli 2022 fast 10.660 Menschen in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Polen sowie den USA befragt. In Deutschland haben sich den Angaben zufolge mehr als 4.360 Menschen an der Befragung beteiligt. Erhoben wurden die Daten im Auftrag der Stiftung vom infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft.