Religionssoziologe: Soziales Engagement der Kirche wird geschätzt

Religionssoziologe: Soziales Engagement der Kirche wird geschätzt
02.03.2023
epd
epd-Gespräch: Holger Spierig

Münster, Gütersloh (epd). Die Bedeutung der Religion nimmt in der Gesellschaft nach Einschätzung des Religionssoziologen Detlef Pollack zwar ab, kirchliches soziales Engagement wird aber nach wie vor geschätzt. In gegenwärtigen Krisen, wie etwa bei der Corona-Pandemie, nehme Religion eher die Funktion eines nachgeordneten Systems ein, sagte Pollack dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Sie wird von den meisten nicht als zuständig angesehen, um diese Krisen zu bewältigen“, erklärte Pollack, einer der Autoren der am Donnerstag veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung über die Bedeutung von Religion in Krisenzeiten.

Zugleich sei das Engagement der Kirchen und Christen für Kranke, Arme und Notleidende hoch, dies werde von der Mehrheit der Bevölkerung auch geschätzt, erklärte der Religionssoziologe. „Die Kirche ist immer dann attraktiv, wenn sie nah bei den Menschen ist und sie in ihren alltäglichen Problemen begleitet, etwa auch in der Seelsorge“, unterstrich Pollack.

Die Kirchen erfüllten viele Aufgaben, etwa in der Kinderbetreuung oder der Bildungsarbeit, zudem spendeten sie Segen oder beerdigten die Gestorbenen mit Würde, sagte der Wissenschaftler. Die Kirche werde ihre Zukunft nicht in der Konzentration auf ein Aufgabenfeld finden können. „Doch liegt darin auch ein Problem, denn mehr und mehr überfordert die Erfüllung vieler Aufgaben die Kirchen“, erklärte Pollack.

Laut dem am Donnerstag von der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh veröffentlichten „Religionsmonitor 2023“ hat Religion bei der Bewältigung der Corona-Krise für etwa ein Drittel der Menschen in Deutschland eine Rolle gespielt. Eine große Mehrheit vertraute eher auf Familie (90 Prozent), Wissenschaft (85 Prozent) und Nachbarschaft (74 Prozent).

Zu bedenken sei jedoch auch, dass hochreligiöse Menschen und Mitglieder evangelikal-freikirchlicher und pfingstlerischer Gemeinden sowie Muslime und Buddhisten Religion für wesentlich hilfreicher halten als der Bevölkerungsdurchschnitt, sagte der Wissenschaftler, der an der Uni Münster im Exzellenzcluster Religion und Politik lehrt. Auch schließe das Vertrauen in die Krisenbewältigungskompetenz der Religion das Vertrauen in Wissenschaft, Gesundheitssystem oder auch Politik nicht aus.

Dass Religion in Krisenzeiten über die gläubigen Menschen hinaus nur eine untergeordnete Rolle in der Gesellschaft habe, liegt nach Einschätzung Pollacks an einer zunehmend weltlicher gewordenen Gesellschaft: „Um erfahren zu können, dass der Glaube hilfreich ist, muss man ihn bereits angenommen und verinnerlicht haben“, sagte der Wissenschaftler.