Berlin (epd). Menschen jüdischen Glaubens sind 2022 häufiger Opfer von gewaltvollen Angriffen geworden als im Jahr zuvor. Die Zahl der judenfeindlichen Gewalttaten stieg im vergangenen Jahr von 63 auf 88, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt.
Insgesamt zählte das Bundeskriminalamt demnach 2.639 antisemitische Straftaten für das Jahr 2022. Im Vorjahr 2021 waren es noch 3.028 Straftaten, allerdings wurden die üblichen Nachmeldungen für das vierte Quartal 2022 noch nicht berücksichtigt. Zuerst hatte die „Welt“ (Dienstag) über die Zahlen berichtet.
Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Linke), deren Büro die Anfrage gestellt hatte, sagte, im Jahresüberblick lasse sich erneut feststellen, welche extremen Diskrepanzen zwischen den zunächst gemeldeten Zahlen und den Nachmeldungen für alle Quartale bestünden. So habe das Innenministerium die Zahl antisemitischer Straftaten im dritten Quartal 2022 nachträglich von 306 auf 653 Fälle korrigiert. Pau forderte eine stärkere Sensibilisierung der Ermittlungsbehörden für Antisemitismus. Wo kein Verständnis für Diskriminierungsformen und Menschenfeindlichkeit liege, könnten diese auch nicht adäquat erfasst werden.
Der zunehmende Antisemitismus stelle eine Bedrohung für die gesamte Gesellschaft dar. Beispielhaft dafür stünden die mehrfachen Angriffe auf Synagogen im vergangenen Jahr, die vielen Friedhofsschändungen und die zahlreichen Holocaustleugnungen im Verschwörungsmilieu, sagte die Bundestags-Vizepräsidentin.
Laut dem „Welt“-Bericht ist in den vergangenen vier Jahren die Zahl antisemitischer Straftaten stetig gestiegen. Unter die Gewalttaten fielen etwa gefährliche Körperverletzungen oder räuberische Erpressung, hinzu kämen Brandanschläge und Volksverhetzungsdelikte.
„Es ist eine Schande für unser Land, wie viel antisemitische Hetze auch heute verbreitet wird und wie häufig Jüdinnen und Juden noch immer angefeindet und angegriffen werden“, sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der „Welt“. Sie kündigte eine harte Gangart gegen judenfeindliche Straftäter an. „Antisemitische Straftaten müssen für die Täter deutlich spürbare Konsequenzen haben“, sagte sie.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte, die Zahlen spiegelten das Erleben von Jüdinnen und Juden in Deutschland. „Es bleibt nicht bei Worten und Sachbeschädigungen, sondern die Gewalt richtet sich immer häufiger direkt gegen Jüdinnen und Juden selbst“, sagte er der Zeitung.