Erfurt (epd). Tarifliche Nachtarbeitszuschläge dürfen bei regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit unterschiedlich hoch sein. Das hat das Bundesarbeitsgericht geurteilt und verschieden hohe Nachtschichtzuschläge bei Coca-Cola, frischli Milchwerke, Nestle und der FrieslandCampina Kievit GmbH für zulässig erklärt. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung liege nicht vor, urteilten die Erfurter Richter am Mittwoch. (AZ: 10 AZR 332/20 und weitere)
Im ersten Fall hatte eine Mitarbeiterin von Coca-Cola in Berlin geklagt. Nach dem einschlägigen Tarifvertrag der Erfrischungsgetränke-Industrie Berlin und Region Ost betrug der Zuschlag für regelmäßige Nachtarbeit in Schichten 20 Prozent, für unregelmäßige Nachtarbeit 50 Prozent.
Die Arbeitnehmerin sah in der Unterscheidung zwischen unregelmäßiger und regelmäßiger Nachtarbeit einen Verstoß gegen den im Grundgesetz und der EU-Grundrechtecharta enthaltenen Gleichbehandlungsgrundsatz. Regelmäßige Nachtarbeit sei deutlich belastender als die seltene, außerhalb von Schichtsystemen geleistete unregelmäßige Nachtarbeit.
Coca-Cola argumentierte, dass die Tarifparteien mit der unterschiedlichen Bezahlung den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten haben. Höhere Zuschläge bei ungeplanter Nachtarbeit seien begründet, da so die Beschäftigten auch einen Ausgleich für den Eingriff in ihre Freizeit erhielten. Bei regelmäßiger Nachtarbeit könnten Arbeitnehmer dagegen ihr Freizeitverhalten danach ausrichten. Das sei weniger belastend.
Nachdem der Europäische Gerichtshof in dem Fall geurteilt hatte, dass EU-Recht nicht die Vergütung von Nachtarbeitszuschlägen regele (AZ: C-257/21), war das Bundesarbeitsgericht wieder am Zug.
Die obersten deutschen Richter urteilten nun, dass unterschiedliche Nachtarbeitszuschläge im Tarifvertrag erlaubt sind, wenn hierfür ein sachlicher Grund besteht. Die Nachtarbeitszuschläge seien ein angemessener Ausgleich für die gesundheitlichen Belastungen. Der höhere Zuschlag für die unregelmäßige Nachtarbeit solle aber zusätzlich weitere Belastungen der Beschäftigten wegen der schlechteren Planbarkeit dieser Art der Arbeitseinsätze ausgleichen. Wie dieser Ausgleich erfolgt, liege im Ermessen der Tarifparteien, befand das Bundesarbeitsgericht.
Bei nicht tarifgebundenen Unternehmen hatte das Gericht bereits am 9. Dezember 2015 im Fall eines Paketauslieferers entschieden, dass bei ständigen Nachtschichten grundsätzlich ein „angemessener“ Nachtarbeitszuschlag von 30 Prozent zu zahlen ist, bei nicht immer anfallender Nachtarbeit dagegen „regelmäßig“ 25 Prozent (AZ: 10 AZR 423/14). Tarifverträge können davon aber abweichen.