Italien: Parlament stimmt für umstrittene Seenotrettungsvorschrift

Italien: Parlament stimmt für umstrittene Seenotrettungsvorschrift

Frankfurt a.M., Rom (epd). Die italienische Abgeordnetenkammer hat laut Medienberichten für die Umwandlung eines umstrittenen Regierungsdekrets zur zivilen Seenotrettung in ein Gesetz gestimmt. Wie die Zeitung „La Repubblica“ am Mittwoch berichtete, stimmten 187 Parlamentarier dafür. 139 Abgeordnete votierten demnach dagegen, drei enthielten sich. Hilfsorganisationen und Menschenrechtler reagierten besorgt.

Die italienische Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte Anfang Januar per Dekret einen sogenannten Verhaltenskodex für die zivile Seenotrettung verabschiedet. Das Dekret sieht unter anderem vor, dass Schiffe nach einer Rettungsaktion direkt einen vorgegebenen Hafen ansteuern. Weitere Notrufe müssten demnach ignoriert werden. Laut Amnesty International wird der Text nun dem Senat vorgelegt, der Anfang März darüber abstimmen soll.

Die deutsche Seenotrettungsorganisation SOS Humanity kritisierte das Votum der italienischen Abgeordneten. Durch die neuen Vorschriften und die Zuweisung weit entfernter Häfen würden zivile Rettungsschiffe am lebensrettenden Einsatz gehindert, sagte die politische Referentin der Organisation, Mirka Schäfer. Die Regelung verstoße gegen internationales und europäisches Recht.

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International äußerte sich besorgt. Die Vorschriften zielten eindeutig darauf, Hilfsorganisationen von lebensrettenden Such- und Rettungseinsätzen abzuhalten, sagte der Amnesty-Migrationsexperte Matteo de Bellis. Die Rettungsorganisation Sea-Watch sprach auf Twitter von einer unmenschlichen Regelung, die zivile Rettungsschiffe kriminalisiere.

Bereits vor der Abstimmung gab es international Kritik. Am Dienstag riefen 65 Bundestagsabgeordnete in einem Brief ihre italienischen Kollegen dazu auf, „sich für die bedingungslose Einhaltung des Völkerrechts einzusetzen“. Anfang Februar hatte der Europarat Italien aufgefordert, das Dekret zurückzunehmen.

Das Mittelmeer zählt zu den tödlichsten Fluchtrouten weltweit. 2022 sind nach Schätzungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mehr als 2.300 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer ums Leben gekommen oder werden vermisst. Am Mittwoch teilte die UN-Organisation mit, dass nach einem Schiffsunglück vor Libyen mindestens 73 Menschen vermisst werden.