Berlin (epd). Nach den schweren Erdbeben in der Türkei und in Syrien prüft die Bundesregierung Erleichterungen, um Angehörigen von in Deutschland lebenden Türken eine Einreise zu ermöglichen. Der Wunsch, Verwandte zumindest kurzfristig aufzunehmen, sei verständlich, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts am Freitag in Berlin. Zugleich betonte sie, sie könne noch keine Visa-Erleichterungen ankündigen. Dies sei eine „komplexe Angelegenheit“. Der Deutsche Anwaltverein beklagte derweil Hürden bei der Ausreise für in Deutschland lebende Türken, die im Katastrophengebiet Verwandten helfen oder Beerdigungen besuchen wollen.
Wie die Außenamtssprecherin weiter sagte, gibt es derzeit Gespräche zwischen dem Außen- und dem Innenministerium, wie man mit dem Wunsch von in Deutschland lebenden Angehörigen umgehen will, Verwandte aufzunehmen. Man wolle „möglichst unbürokratisch“ helfen, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.
Zwei schwere Erdbeben in der Grenzregion Syriens und der Türkei hatten am Montag eine humanitäre Katastrophe ausgelöst. Viele Tausende Menschen kamen ums Leben oder wurden verletzt. Insgesamt sind mehrere Millionen Menschen in der Region betroffen.
Der Deutsche Anwaltverein wies derweil darauf hin, dass für manche auch das Reisen in die andere Richtung ein Problem sei. Wie der Verein am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte, ist in den vergangenen Tagen eine Vielzahl von Fällen bekannt geworden, in denen Menschen aufgrund abgelaufener Aufenthaltstitel derzeit nicht reisen können, um Verwandten zu helfen oder Beerdigungen zu besuchen. Es gehe wahrscheinlich um Hunderte Fälle. Der Verein forderte eine Notfallbetreuung in deutschen Ausländerbehörden, um in Deutschland lebenden Türken eine Reise in ihre Heimat zu ermöglichen.
Betroffen sind den Angaben zufolge unter anderem Studierende oder Menschen, die als Familiennachzügler oder Fachkräfte nach Deutschland gekommen sind und befristete Aufenthaltstitel haben. Läuft die Aufenthaltserlaubnis ab, kann sie in aller Regel verlängert, gegebenenfalls bis dahin mit einer sogenannten Fiktionsbescheinigung überbrückt werden. Derzeit warteten aber viele auf eine Rückmeldung der Ausländerbehörde, hieß es aus dem Anwaltverein. Für Ausreisen ist das ein Problem, weil die Rückkehr nach Deutschland dann gegebenenfalls nicht möglich ist. Im schlimmsten Fall drohe sogar bei der Ausreise ein Strafverfahren wegen des abgelaufenen Aufenthaltstitels.
Der Anwaltverein bitte daher die Ausländerbehörden, vorübergehend eine Notfallbetreuung einzurichten, „damit Menschen zur Unterstützung Angehöriger oder für Trauerfälle kurzfristig in die Türkei reisen können“, sagte Martin Manzel, Experte für Migrationsrecht. Nach seiner Einschätzung trifft die Betroffenen in der Regel keine Schuld, weil Anträge auf Verlängerung der Aufenthaltstitel rechtzeitig gestellt worden sind.
„Man stelle sich vor, dass die eigene Tochter, der Ehegatte oder der Vater seit Tagen nicht zu erreichen ist, man unbedingt in die Türkei fliegen muss, dies aber - mangels Fiktionsbescheinigung - einfach nicht kann“, sagte Manzel. Das Gleiche gelte für Beerdigungen, zumal dies in einem islamischen Land sehr schnell auf den Weg gebracht werde.