Erfurt (epd). Bundesarbeitsgerichts-Präsidentin Inken Gallner sieht bei der Einführung konkreter Bestimmungen zur Arbeitszeiterfassung in Unternehmen die Politik in der Pflicht. „Solange der Gesetzgeber das noch nicht geregelt hat, können die Tarifparteien selbst Regelungen vereinbaren“, sagte Gallner am Mittwoch auf der Jahres-Pressekonferenz des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt.
Der verpflichtenden Arbeitszeiterfassung stehe die in vielen Betrieben praktizierten „Vertrauensarbeit“ nicht engtegen, bei der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Zustimmung des Arbeitgebers zeitlich flexibel ihrer Arbeit nachegehen können. „Allerdings müssen dabei die gesetzliche Ruhezeit eines Arbeitnehmers von elf Stunden innerhalb von 24 Stunden eingehalten werden“, betonte die Präsidentin. Auch dürfe die zulässige wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden nicht überschritten werden.
Die gerade bei Arbeitgebern umstrittene Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für alle Arbeitnehmer geht auf ein Urteil des BAG vom 13. September 2022 zurück (AZ: 1 ABR 22/21) Die Erfurter Richter hatten damals ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019 umgesetzt, das eine Arbeitszeiterfassung aus Arbeitsschutzgründen nach EU-Recht für notwendig ansah (AZ: C-55/18)
Insgesamt ging die Zahl der Verfahren beim BAG im Jahr 2022 Gallner zufolge um 255 und damit um knapp 17 Prozent auf 1.266 zurück. Ein Grund liege darin, dass es beispielsweise weniger Kündigungsstreitigkeiten gebe. Denn viele Arbeitgeber seien froh, wenn sie angesichts des akuten Fachkräftemangels ihr vorhandenes Personal halten könnten.
Dieses Jahr stehen laut Gallner insbesondere Entscheidungen über die unterschiedliche Höhe von Zuschlägen für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit an. Dazu seien allein 400 Revisionen beim BAG und rund 6.000 Verfahren bei den Arbeitsgerichten anhängig. Das BAG wolle unter anderem am 22. Februar darüber entscheiden.
Am 23. März will das BAG zudem ein Urteil fällen, ob eine muslimische Bewerberin für eine Erzieherinnen-Stelle in einer katholischen Kita vom Bewerbungsverfahren ausgeschlossen werden darf.