Berlin (epd). Nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Kopftuchverbot an Schulen ist die Debatte über das Neutralitätsgesetz wieder entfacht. Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) forderte eine schnelle und umfassende Reform des Gesetzes. Senatssprecherin Lisa Frerichs sagte am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd), „der Senat respektiert das Urteil und wird sich zeitnah mit dem weiteren Vorgehen befassen“. Die oppositionelle CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus sprach sich ebenfalls für eine Reform des Neutralitätsgesetzes aus, will aber am Kopftuchverbot in staatlichen Einrichtungen festhalten.
Hintergrund ist die Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde des Landes Berlin durch das Bundesverfassungsgericht. Das bestätigte das Gericht am Donnerstag in Karlsruhe. Die Beschwerde richtete sich gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG).
Die Erfurter Richter hatten im August 2020 das im Berliner Neutralitätsgesetz festgeschriebene pauschale Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen an Schulen mit Verweis auf die Religionsfreiheit für grundgesetzwidrig erklärt. Ein pauschales Kopftuchverbot dürfe es nicht geben, nur bei konkreter Gefahr für den Schulfrieden, hieß es im BAG-Urteil unter Verweis auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2015. Gegen das BAG-Urteil hatte der Berliner Senat im Februar 2021 Beschwerde in Karlsruhe eingereicht.
Das Neutralitätsgesetz ist in der aktuellen Regierungskoalition umstritten. Während die Grünen und die Linke das Gesetz in seiner jetzigen Form weitgehend ablehnen, ist die SPD in ihrer Haltung gespalten.
Justizsenatorin Kreck sagte dem epd, das Bundesverfassungsgericht habe mit seinem Beschluss bestätigt, dass die Kritik an dem Gesetz hinsichtlich seiner Verfassungsmäßigkeit berechtigt sei: „Damit muss das Neutralitätsgesetz Berlins umgehend angefasst werden.“
Kreck betonte, „ein pauschales Kopftuchverbot für Pädagoginnen wird es in Berlin in Zukunft nicht mehr geben“. Auch die anderen im Neutralitätsgesetz geregelten Bereiche müssten überprüft werden. Dies gelte auch für die Justiz. „Über das Kopftuchverbot werden in der Einwanderungsgesellschaft Menschen ausgegrenzt und rassistisch konnotierte Zuschreibungen verstärkt“, erklärte die Linken-Politikerin.
Die kirchenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Cornelia Seibeld, erklärte, das Votum der Karlsruher Richter sei ein klarer Auftrag, „dieses Gesetz so fortzuentwickeln, dass es rechtssicher wird“. Es könne nicht geduldet werden, „wenn religiöse Symbole wie das islamische Kopftuch in staatlichen Einrichtungen demonstrativ zur Schau gestellt werden“. Dies würde den Frieden und Zusammenhalt in der Gesellschaft gefährden, erklärte Seibeld.
Eine vom Senat eingesetzte Expertenkommission hatte in einem im September 2022 vorgelegten Bericht unter anderem beklagt, dass das Neutralitätsgesetz die Diskriminierung von Frauen mit Kopftuch ohne sachliche Rechtfertigung fördere. Das seit 2005 gültige Gesetz hat immer wieder zu Diskriminierungsklagen von Bewerberinnen für das Lehramt und zu Entschädigungszahlungen geführt.