Berlin (epd). In der Gedenkstunde des Bundestags zum Holocaust ist besonders an die Menschen erinnert worden, die von den Nazis wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Identität verfolgt wurden und länger als andere Opfergruppen auf ihre Anerkennung warten mussten. Der Aktivist Klaus Schirdewahn schilderte am Freitag sein erzwungenes Doppelleben als homosexueller Mann in der Bundesrepublik, aus dem er sich erst spät in seinem Leben lösen und zu seiner Identität stehen konnte.
Schirdewahn sagte, die Gedenkstunde sei für die gesamte queere Community ein Zeichen der Anerkennung und ein Signal an die Gesellschaft. Sie drücke die Trauer über das Leiden aus, das queeren Menschen von den Nazis angetan worden sei, mache aber auch deutlich, dass das Unrecht 1945 nicht endete und gebe den Betroffenen etwas von ihrer Würde zurück.
Schirdewahn wurde 1964 als 17-Jähriger nach dem Strafrechtsparagrafen 175 zu einer Haftstrafe verurteilt, der er nur entgehen konnte, indem er eine Therapie akzeptierte, die ihn von seiner Homosexualität „heilen“ sollte. Bewegend schilderte der über 70-Jährige, wie Verstellung sein Leben prägte, wie er litt und wie auch seine Frau und Tochter belastet waren. Der Paragraf wurde erst 1994 komplett abgeschafft, und erst im Jahr 2017 wurden die Urteile gegen homosexuelle Männer aufgehoben. „Bis vor fünf Jahren galt ich als vorbestraft“, sagte Schirdewahn. Erst seitdem er akzeptiert werde, wie er sei, habe er aktiv werden können und sich für die gleichberechtigte Teilhabe von queeren Menschen engagieren können.
Der Holocaust-Gedenktag wird seit 1996 am 27. Januar begangen, dem Tag der Befreiung des NS-Konzentrationslagers Auschwitz (27.1.1945) durch die Rote Armee. Seitdem erinnert der Bundestag rund um diesen Tag mit einer eigenen Veranstaltung an die Opfer der Verfolgung und Ermordung durch die Nationalsozialisten. Die Gedenkrede wurde in diesem Jahr von der 1942 Holocaust-Überlebenden Rozette Kats gehalten, die von ihren Eltern bei einem nicht-jüdischen Ehepaar in Amsterdam versteckt worden war, bevor ihre Eltern selbst deportiert und ermordet wurden.