Hittfeld, Berlin (epd). Aus Sicht der Historikerin Claudia Becker erhofften sich die meisten evangelischen Pastoren von der Machtübernahme der Nazis am 30. Januar 1933 ein Ende der fortschreitenden Entkirchlichung in Deutschland. „Sie vertrauten Hitlers prokirchlicher Propaganda und seinem Versprechen, dem Christentum wieder zu Geltung zu verhelfen“, sagte Becker dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die „Welt“-Redakteurin ist Autorin einer jüngst als Buch erschienenen Studie über die Rolle der evangelischen Kirche während der NS-Zeit im Kirchenkreis Hittfeld südlich von Hamburg.
Dem Buch liegt Beckers 1991 eingereichte Magisterarbeit zugrunde, für die sie in Archiven recherchiert und Zeitzeugen und Angehörige interviewt hat. Alle Pastoren, die ihr in den Recherchen begegnet seien, hätten den Nationalsozialismus zunächst als „die Erlösung von der als kirchenfern und unmoralisch empfundenen Weimarer Republik“ betrachtet, sagte Becker.
Wie aus den Kirchenkreistags-Protokollen hervorgehe, beklagten die Geistlichen etwa den moralischen Verfall der Jugend und den antikirchlichen Einfluss kommunistischer und sozialdemokratischer Gruppierungen, erläuterte Becker. Ein Pastor habe 1934 die NS-Machtübernahme sogar als „Sturz eines gottfeindlichen Systems“ und „Niederringung des Bolschewismus“ bezeichnet. Doch auch anfängliche NS-Sympathisanten hätten aufbegehrt, als die antikirchliche Agitation der Nazis stärker wurde. So hätten Pastoren im Gottesdienst gegen die neuheidnische Propaganda gepredigt.