Berlin (epd). Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat eine umfassende Erinnerung an alle Opfer des Nazi-Regimes und eine lebendige Erinnerungskultur angemahnt. Viele Menschen glaubten, Deutschland habe sich bereits mehr als genug mit der Shoah beschäftigt, sagte sie am Freitag in der Gedenkstunde des Bundestags zum diesjährigen Holocaust-Gedenktag, „Das ist ein Irrtum“, unterstrich Bas: „Es kann keinen Schlussstrich geben!“
Die Deutschen müssten sich weiterhin mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen und Antisemitismus, Rassismus sowie der Diskriminierung von Minderheiten entschieden entgegentreten, forderte Bas. Niemand dürfe weggucken bei Antisemitismus, besonders wenn er versteckt daherkommen, sagte Bas und erinnerte an die Auseinandersetzungen um die documenta 15 im vorigen Jahr. Bas prangerte auch die „unerträgliche Hetze“ gegen queere Menschen und den gewaltsamen Tod eines Transmanns am Christopher Street Day an. Sie forderte die Bevölkerung auf, dagegen aufzustehen.
Der Bundestag stellte in diesem Jahr erstmals die Menschen in den Mittelpunkt des Gedenkens, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder sexuellen Identität von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Bas erinnerte an Zehntausende homosexueller Männer und lesbische Frauen, die zu Haftstrafen oder Zwangsarbeit verurteilt oder in Konzentrationslager deportiert wurden. Für homosexuelle Männer habe das Ende des Nationalsozialismus kein Ende der Verfolgung gebracht, kritisierte Bas. Der Paragraf 175 des Strafgesetzbuchs habe weiter gegolten. Viel zu spät seien die Unrechtsurteile aufgehoben und homosexuelle Männer als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt worden.
1996 hatte der damalige Bundespräsident Roman Herzog den Tag der Befreiung des NS-Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee (27. Januar 1945) als Gedenktag proklamiert. Seitdem erinnert der Bundestag rund um diesen Tag mit einer eigenen Veranstaltung an die Opfer der Verfolgung und Ermordung durch die Nationalsozialisten.
In diesem Jahr stellt das Parlament erstmals die wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgten Menschen in den Mittelpunkt. Die Gedenkrede wird von der Holocaust-Überlebenden Rozette Kats gehalten. Als Vertreter der queeren Community kommt Klaus Schirdewahn zu Wort.