Lützerath (epd). Im rheinischen Braunkohlerevier ist am Freitag die Räumung des vor der Abbaggerung stehenden Dorfes Lützerath fortgesetzt worden. Man rechne damit, dass noch im Laufe des Tages das letzte von Aktivisten besetzte Haus geräumt werden könne, sagte ein Sprecher der Polizei dem Evangelischen Pressedienst (epd). Überdies müssten noch Menschen aus einigen Baumhäusern geholt werden. Grundsätzlich sei die Situation am dritten Tag der Räumung „relativ ruhig“, Angriffe auf Polizisten gab es bis zum frühen Nachmittag offenbar kaum.
Zugleich halte man weiterhin Kontakt zu den beiden Personen, die sich in einem unterirdischen Tunnelsystem unter der Ortschaft befinden, erklärte der Sprecher: „Es haben Gespräche stattgefunden.“ Allerdings zeigten die Aktivisten bislang keine Bereitschaft, den etwa in vier Meter Tiefe gelegenen Tunnel zu verlassen. Die beiden Personen werden vorsorglich über eine Maschine mit Sauerstoff versorgt. Zudem ist nach Angaben der Polizei noch unklar, wie umfangreich das Tunnelsystem ist und ob sich dort möglicherweise weitere Menschen aufhalten. Der Sprecher bezeichnete die Situation als „verzwickt“. Auf die oberirdische Räumung habe die Aktion bislang aber keine Auswirkungen, hieß es.
Bis Donnerstagabend hatten nach Polizeiangaben über 300 Personen das besetzte Lützerath verlassen. Gegen sechs Personen wurde wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung Anzeige erstattet. Einsatzkräfte waren zuvor wiederholt mit Steinen und Feuerwerkskörper beworfen worden.
Zudem gab es Protestaktionen an anderen Orten. Am Freitag blockierten am Vormittag rund 30 Aktivisten die Zentrale des RWE-Konzerns in Essen. Mitglieder von „Extinction Rebellion“, „Scientist Rebellion“ und „Letzte Generation“ beteiligten sich an der Aktion, einige ketteten sich an das Haupttor. Sie forderten von den RWE-Verantwortlichen ein Moratorium für die aktuelle Räumung von Lützerath. Gegen Mittag wurde die Versammlung durch die Polizei aufgelöst.
Schon in der Nacht zum Donnerstag hatten unbekannte Täter die Parteibüros der CDU und der Grünen in Aachen beschädigt. Der Staatsschutz der Polizei ermittelt. In Düsseldorf wurde die Landesgeschäftsstelle der Grünen für mehreren Stunden von rund 30 Aktivisten besetzt. Nach etwa zehn Stunden räumte die Polizei die Parteizentrale. Gegen zwölf Personen, die nicht freiwillig gehen wollten, wurden Anzeigen erstattet.
Am Wochenende erhalten die Aktivisten in und um Lützerath Unterstützung durch eine Groß-Demonstration. Unter dem Motto „Lützerath: Gegen die Räumung - für Kohleausstieg und Klimagerechtigkeit“ werden nach Angaben der Veranstalter am Samstag rund 10.000 Menschen erwartet - darunter auch die bekannte schwedische Klimaaktivistin und Initiatorin von „Fridays for Future“, Greta Thunberg. Der Demonstrationszug soll sich um 12 Uhr vom Ort Keyenberg in Richtung Lützerath auf den Weg machen. Die abschließende Kundgebung ist um 13.30 Uhr auf einem Feld in Höhe der Ortslage Lützerath vorgesehen.
Am Freitag hatte es zudem einen spontanen Demonstrationszug gegeben, der von Keyenburg nach Lützerath zog. Die Zahl der Teilnehmer bewege sich im „unteren dreistelligen Bereich“, sagte der Polizeisprecher.
Die Grünen-Landtagsabgeordnete Antje Grothus warnte unterdessen vor weiteren Auseinandersetzungen in der Region. Im Bereich des aktuell genehmigten Betriebsplans für den Tagebau Garzweiler befänden sich Flächen, deren Eigentümer nicht an RWE verkaufen wollten, teilte sie mit. Somit drohten im geplanten Abbaugebiet langwierige und juristisch unsichere Enteignungen auch nach einer Räumung Lützeraths. „Um den sozialen Frieden der Region in den nächsten Jahren zu wahren, ist eine Neuplanung des Tagebaus notwendig“, betonte Grothus. Die Räumung Lützeraths müsse gestoppt werden, „bis eine neue, sozialverträgliche Planung vorliegt“.
Ein RWE-Sprecher wies die Aussagen der Grünen-Politikerin zurück. „Der Tagebau Garzweiler hat in seinem Vorfeld und damit auch im Umfeld von Lützerath ausreichend Land, sein Arbeitsbereich ist gesichert“, sagte der Sprecher. Grundabtretungsverfahren seien dort „nicht mehr zu führen“.