Berlin (epd). Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat nach einem Gipfel zu Jugendgewalt konzertierte Aktionen für mehr Respekt und gegen Gewalt in der Hauptstadt angekündigt. Die Silvester-Ausschreitungen von Neukölln und in anderen Teilen der Stadt nannte sie am Mittwoch eine „Zäsur“ für die Arbeit, die in Berlin zu leisten sei.
„Wir haben Redebedarf. Und wir haben Handlungsbedarf“, sagte Giffey. Dazu gehöre etwa, eine konsequente Strafverfolgung voranzubringen und tiefergreifende Probleme anzugehen. „Wir müssen alle genauer hinschauen“, sagte Giffey. Auch brauche Jugendarbeit Verlässlichkeit und Kontinuität.
Laut Giffey wurden auf dem Gipfel mit Akteurinnen und Akteuren aus Senat, Bezirken und Zivilgesellschaft vier Themenfelder verabredet, zu denen bei einem weiteren Treffen am 22. Februar erste konkrete Maßnahmen vorgestellt werden sollen. Das betreffe die aufsuchende Familien- und Schulsozialarbeit, die außerschulische Jugendsozialarbeit, die Schaffung von Orten für Jugendliche als „essenzieller Punkt“ und eine klare Strafverfolgung. Koordiniert würden die Arbeitsbereiche von den jeweils zuständigen Senatsverwaltungen.
„Es gilt der Grundsatz der ausgestreckten Hand, aber auch des klaren Stopp-Signals, wenn Straftaten begangen werden“, sagte die Berliner Regierungschefin. Für die Umsetzung rechne sie mit einem mehrstelligen Millionenbetrag, den Berlin in die Hand nehmen müsse. Der Gipfel gegen Jugendgewalt dürfe kein einmaliges Ereignis bleiben, sondern sei der Beginn eines Arbeitsprozesses. Das müsse auch unabhängig von dem Wahltermin am 12. Februar gelten.
Der Berliner CDU-Vorsitzende und -Spitzenkandidat Kai Wegner sprach von einem „Gipfel der Augenwischerei“ und „purem Aktionismus“. „Vier Wochen vor der Wahl entdeckt Frau Giffey plötzlich, dass es Jugendgewalt in Berlin gibt“, kritisierte Wegner. Seit Jahren hätten SPD, Grüne und Linke die Augen davor verschlossen.
Die Berliner Grünen forderten einen Dreiklang aus Jugendsozialarbeit, Kiezstärkung und beruflicher Orientierung. Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Hermann (Grüne) betonte, die Förderprogramme für die Stadtviertel müssten verstetigt werden.
Auch die Diakonie als größte Trägerin der Jugendhilfe in Berlin erklärte, anstatt 40 Prozent der Berliner Bevölkerung zu stigmatisieren, sollte es für Jugendliche strukturelle Verbesserungen geben. Die Jugendsozialarbeit müsse eine stabilere Finanzierung erhalten „Es geht nicht um Ali oder Anton“, sagte Diakonie-Direktorin Ursula Schoen. Es gehe um die Integration all jener, die sozial abgehängt seien, sich hilflos fühlten und sich über Gewalt profilierten.
Die Integrations- und Antirassismus-Beauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, kritisierte, die Debatte über die Silvester-Krawalle habe erneut gezeigt, dass es immer noch nicht möglich sei, solche Themen ohne rassistische Ressentiments zu diskutieren. Mögliche Gewalttäter müssten nach ihren Taten beurteilt werden, nicht nach ihren Vornamen.