Berlin (epd). Der Jurist Peter Stein fordert gesetzliche Klarstellungen im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts. Viele Regelungen seien nur für verkündigungsnahe Tätigkeiten wie etwa Pfarrerin oder Pfarrer notwendig, nicht aber für Sportlehrer oder Ärztinnen, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Mitteilung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, deren Hugo-Sinzheimer-Institut eine Analyse des Arbeitsrechtlers gefördert hat. Die Diakonie verteidigte die derzeitige Ausgestaltung des kirchlichen Arbeitsrechts.
Die Verfassung habe in erster Linie klarstellen wollen, dass für die Kirchen die gleichen Rechte wie für alle gelten, heißt es in dem 259-seitigen Gutachten. Das Bundesverfassungsgericht habe das grundgesetzlich zugesicherte Selbstverwaltungsrecht der Kirchen aber „zu einer Schutznorm der Kirchen gegen den Staat umgedeutet“, kritisiert Stein, der als Anwalt eine Klägerin, die sich bei der evangelischen Diakonie beworben hatte, vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und dem Bundesarbeitsgericht vertreten hatte.
Stein befasst sich in dem Gutachten auf der einen Seite mit Regelungen, die in das Privatleben Beschäftigter eingreifen. Dabei geht es um Regeln katholischer Arbeitgeber, die etwa eine zweite Ehe oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften verbieten. Nach zunehmender Kritik auch aus den eigenen Reihen will die katholische Kirche ihr Arbeitsrecht in dem Punkt selbst reformieren.
Der frühere Hamburger Arbeitsrichter verweist zudem auf die Regelung, die für viele Stellen bei religiösen Arbeitgebern eine Mitgliedschaft der Beschäftigten in der jeweiligen Religionsgemeinschaft vorschreibt. Bei verkündigungsnahen Tätigkeiten beispielsweise als Pfarrer, Rabbi oder Imam sei davon auszugehen, dass dies sachlich notwendig sei, erklärt Stein. Wenn es um Sportlehrer an konfessionellen Schulen oder Ärztinnen in kirchlichen Krankenhäusern gehe, sei das aber nicht plausibel. Stein fordert konkret eine Anpassung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, das bislang Ausnahmen für Religionsgemeinschaften vorsieht.
Laut der Diakonie enthält das Gutachten nicht viel Neues zur Frage nach der Kirchenmitgliedschaft als Einstellungskriterium. Der evangelische Wohlfahrtsverband kritisierte zudem, das Gutachten behaupte fälschlicherweise, dass die Vertreter der kirchlichen Beschäftigten bei Verhandlungen keine Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den Arbeitgebern hätten: Im Blick auf eine einheitliche und angemessene Vergütung habe sich das kirchliche Arbeitsrecht bundesweit „absolut bewährt“.
„Bei uns bestehen in weit über 90 Prozent aller Einrichtungen tatsächlich auch Mitarbeitervertretungen“, betonte die Diakonie zudem. Im nicht-kirchlichen Bereich hingegen hätten nur neun Prozent aller betriebsratsfähigen Betriebe auch Betriebsräte. Es erscheine wenig sinnvoll, die Abschaffung eines Systems zu fordern, das die höchste Betriebsratsdichte im Vergleich zur Gesamtwirtschaft hervorbringe.
Stein hatte die Berlinerin Vera Egenberger im Verfahren gegen die Diakonie vertreten. Sie hatte sich beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung erfolglos um eine Referentenstelle beworben. Die konfessionslose Bewerberin klagte auf Entschädigung, weil sie eine Diskriminierung aus religiösen Gründen annahm. Das Bundesarbeitsgericht sprach ihr in einem Grundsatzurteil eine Entschädigung von knapp 4.000 Euro zu. Zuvor hatte sich auch der EuGH mit dem Fall befasst.
Gegen die Entscheidungen hat die Diakonie Verfassungsklage beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Sie sieht sich durch die Urteile im verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht beschränkt. Wann das Bundesverfassungsgericht in dieser Sache entscheidet, ist noch nicht bekannt.