Rheinischer Präses für legale Fluchtwege und konsequente Integration

Rheinischer Präses für legale Fluchtwege und konsequente Integration
28.12.2022
epd
epd-Gespräch: Ingo Lehnick

Düsseldorf (epd). In der Debatte über den Umgang mit hohen Flüchtlingszahlen warnt der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, vor einer Abschottung Europas und dem Nachdenken über Grenzanlagen. „Wenn Menschen vor einer Notsituation fliehen, können Zäune sie nicht wirklich abhalten“, sagte der leitende Theologe der zweitgrößten deutschen Landeskirche dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ein solches Vorgehen würde auch am Geschäftsmodell von Schleppern nichts ändern.

„Es muss eher darum gehen, sichere und legale Wege zu schaffen, auf denen Menschen nach Europa kommen und ihr Menschenrecht auf Asyl einfordern können“, betonte Latzel. „Es darf nicht sein, dass das Mittelmeer das gefährlichste Gewässer der Welt ist, weil dort so viele Menschen auf der Flucht umkommen.“

Der Theologe unterstützt zugleich die Absicht des Sonderbevollmächtigten für Migration der Bundesregierung, Joachim Stamp (FDP), Flucht und Arbeitsmigration stärker zu trennen. „Allerdings müssen wir den Menschen beider Gruppen, wenn sie hier sind, eine schnelle Integration und Zukunftsmöglichkeiten bieten“, sagte er.

Nötig sei eine konsequente Integrationspolitik, die Menschen einbinde und Perspektiven schaffe. „Eine Ghettoisierung junger Männer aus anderen Kulturkreisen ohne Familienanbindung und Perspektiven schafft dagegen Probleme.“ Kirche und Diakonie unterstützen die Kommunen nach Latzels Worten, indem sie Gebäude zur Verfügung stellen und Menschen begleiten und beraten.

Auch das Chancen-Aufenthaltsrecht für langjährig in Deutschland geduldete Ausländer bewertet der rheinische Präses positiv. „Wenn Menschen seit Jahren hier leben und gut integriert sind, ist es sinnvoll, ihnen eine Zukunftsperspektive zu geben“, unterstrich der 52-Jährige. Die Geduldeten sollen unter bestimmten Voraussetzungen ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten.

Wegen der Folgen des Klimawandels erwartet Latzel, dass ganze Landstriche nicht mehr bewohnbar sein werden und „eine noch viel größere Migrationsbewegung“ bevorsteht. „Deshalb ist das Beste, was wir zur Begrenzung von Migration tun können, den Menschen an ihrem Herkunftsort lebenswürdige Perspektiven zu schaffen.“

Das Kirchenasyl nahm Latzel gegen Kritik in Schutz. Es ermögliche auf Basis der Rechtsprechung eine nochmalige Überprüfung abgelehnter Asylbegehren in einzelnen Härtefällen und stärke dadurch faktisch den Rechtsstaat. Jede Anfrage werde gewissenhaft geprüft, die Verfahren seien transparent und würden bei den Behörden angemeldet. Beim Kirchenasyl gehe es darum, „im Anderen den Mitmenschen zu sehen“ und auf die Einhaltung von Menschenrechtsstandards zu achten: „Das ist für uns eine Konsequenz des christlichen Glaubens.“