Dresden (epd). Rund 15.000 Menschen haben am Freitag vor der Dresdner Frauenkirche einen Open-Air-Gottesdienst gefeiert. „Wir müssen auf die achten, die eine Bleibe suchen, und ihnen nicht Steine in den Weg legen“, sagte Sachsens evangelischer Landesbischof Tobias Bilz in seiner Predigt. Er rief dazu auf, trotz aktueller Krisen zuversichtlich zu bleiben: „Jetzt haben wir die Gelegenheit, neues Gottvertrauen zu gewinnen.“ Der sächsische Ministerpräsident, Michael Kretschmer (CDU), rief zur Versöhnung auf: „Nutzen wir dieses Weihnachtsfest. Vergeben wir und bitten wir um Vergebung“, sagte er.
In den aktuellen Krisen gebe es Narben und „tiefe Verletzungen“. Dies sollte Kretschmer zufolge nicht beschönigt werden. Aber es gebe „nur einen Weg, wie wir wieder zusammenfinden: Warmherzigkeit füreinander, Vergebung und Versöhnung“, betonte der Ministerpräsident. Zugleich sagte er: „Machen wir dieses Fest der Liebe und der Versöhnung zum Start für einen neuen Anfang und ein Aufeinanderzugehen.“
Möglicherweise gerate Gott „in den Zeiten des Wohlstandes und der scheinbaren Sicherheit ein wenig in Vergessenheit“, sagte der Bischof weiter. Doch in Krisenzeiten werde vermehrt auch nach christlicher Orientierung gesucht. Der Glaube helfe dabei, Antworten zu finden. Bilz ist seit 2020 im Amt. Für ihn war es die erste Weihnachtsvesper als Bischof auf dem Neumarkt.
Der Gottesdienst einen Tag vor Heiligabend war wegen der Corona-Pandemie in den beiden Vorjahren ohne Publikum gestaltet und im Fernsehen übertragen worden. Die Vesper fand in diesem Jahr zum 30. Mal statt.
Die musikalische Leitung hatte zum letzten Mal der Trompeter und Dirigent Ludwig Güttler inne. Er beendet am 29. Dezember seine aktive Laufbahn mit einem Konzert in Röhrsdorf bei Meißen. Am 27. Dezember wird er noch einmal in der Dresdner Frauenkirche zu hören sein.
Die Stiftung Frauenkirche richtet am 1. Januar eine Abschiedsveranstaltung für Güttler aus. Der Musiker hatte den Wiederaufbau wesentlich vorangetrieben. In mehr als 1.500 Benefizkonzerten warb er um Spenden.
Die weihnachtliche Vesper wird von der Fördergesellschaft der Frauenkirche Dresden in Kooperation mit der Stiftung Frauenkirche veranstaltet. Die Kosten von derzeit rund 100.000 Euro müssen ohne öffentliche Zuschüsse gedeckt werden. Das ist nach Angaben der Fördergesellschaft nur durch Honorarverzicht der Künstlerinnen und Künstler sowie zahlreiche Helfende, Spenderinnen und Spender möglich.
Die erste weihnachtliche Vesper in dieser Form fand am 23. Dezember 1993 statt. Kurz zuvor war der Altar der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Dresdner Frauenkirche aus den Trümmern geborgen worden. Die barocke Kirche wurde bis 2005 wiederaufgebaut. Vor der Corona-Pandemie kamen zur Vesper auf den Neumarkt jährlich knapp 20.000 Menschen.