Expertin: Festgenommene "Reichsbürger" sind alte Bekannte

Expertin: Festgenommene "Reichsbürger" sind alte Bekannte
10.12.2022
epd
epd-Gespräch: Niklas Hlawitschka

Berlin (epd). Einige der am Mittwoch festgenommenen „Reichsbürger“ haben sich nach Einschätzung der Aufklärungsinitiative „Der goldene Aluhut“ von Randfiguren zu Rädelsführern der Szene entwickelt. Wie die Geschäftsführerin der Initiative, Giulia Silberberger, dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte, haben Mitarbeiter der Initiative einzelne der nun Verdächtigen bereits Anfang des Jahres in einschlägigen Social-Media-Gruppen beobachtet. Diese seien bei der geplanten Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) als Randfiguren in Erscheinung getreten.

„Die rechtsextremistischen Netzwerke sind unglaublich gut miteinander verbunden. So kommt es vor, dass wir bei der Beobachtung von Gruppen auf Menschen stoßen, die sich dann rückblickend an anderer Stelle als Rädelsführer herausstellen“, sagte Silberberger. In diesem Fall habe „Der goldene Aluhut“ das zuständige Landeskriminalamt bereits Anfang Dezember 2021 auf eine Telegram-Chat-Gruppe von rund 50 Personen aufmerksam gemacht, in der Entführungs- und Umsturzpläne geschmiedet worden seien. In der Gruppe sei auch der nun beschuldigte ehemalige Bundeswehr-Oberst Maximilian Eder aktiv gewesen.

Die Expertin forderte ein weiterhin entschiedenes Vorgehen gegen gewaltbereite „Reichsbürger“: „Rechter Terror existiert. Wir müssen ihn erkennen, benennen und bekämpfen“, sagte Silberberger. Mit der bundesweiten Razzia am Mittwoch sei das endlich gelungen. Nun gelte es, auch weiterhin aufmerksam und konsequent zu bleiben. Sie forderte, die Kontakte der „Reichsbürger“ zu Sicherheitsbehörden und Politik müssten „ausfindig gemacht und ausgehebelt“ werden. Neue Dienstaufsichtsverfahren müssten etabliert, bereits vorhandene rechtliche Möglichkeiten konsequent ausgeschöpft werden.

Die vom Bundesamt für Verfassungsschutz angegebene Zahl von 21.000 „Reichsbürgern“ hält Silberberger für zu niedrig. Nach Einschätzung der Expertin ist die Dunkelziffer wohl wesentlich höher. „Die Stimmung in der Szene ist extrem aufgeladen“, warnt sie.

Dass sich viele Menschen in Verschwörungserzählungen flüchten, sei auch ein Ausdruck von Angst, Überforderung und dem Wunsch nach Zugehörigkeit. Man müsse Betroffene ernst nehmen und das Gespräch suchen, ohne sie unter Druck zu setzen. Silberberger, die selbst einst den Ausstieg bei den Zeugen Jehovas schaffte, rät Betroffenen, sich an Beratungsstellen zu wenden und professionelle Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen.