München (epd). Der frühere Papst Benedikt XVI. soll als Erzbischof Joseph Ratzinger von München und Freising auf Missstände in einer sektenartigen katholischen Gemeinschaft nicht ernsthaft reagiert haben. Dem Bayerischen Rundfunk (BR) liegen nach eigener Darstellung vom Mittwoch Dokumente vor, wonach Ratzinger wie auch der jetzige Erzbischof Kardinal Reinhard Marx in Briefen frühzeitig über massive Kritik an den Zuständen in der Gemeinschaft informiert waren. Verfasst wurden diese der Recherche zufolge in den Jahren 2003 und 2011. Ernsthafte Konsequenzen habe die Kirche aber erst 2019 gezogen, so der BR. 2020 habe Marx die „Katholische Integrierte Gemeinde“ im Erzbistum München und Freising aufgelöst.
Die Integrierte Gemeinde, nach dem Zweiten Weltkrieg in München gegründet, sollte in allen Bereichen die christlichen Ideale leben - im Beruf, im Alltag und im Privatleben, so der Bericht. Ihr wichtigster Förderer soll Joseph Ratzinger gewesen sein, der die Gemeinschaft 1978 offiziell anerkannte. Bereits 1977 sei die Gemeinde aber im „Evangelischen Sonntagsblatt“ als „totalitäre Gemeinschaft“ bezeichnet worden. Ehemalige Mitglieder berichteten dem BR für einen Podcast, dass ihnen verboten wurde, Kinder zu bekommen, sie seien finanziell ausgebeutet worden, Beruf und Wohnort bestimmte die Gemeindeleitung.
Ein Abschlussbericht einer kirchenrechtlichen Prüfung, die Kardinal Marx 2019 angeordnet hatte, sei bis heute nur zum Teil öffentlich, so der Bericht des BR. Dem Sender liege aber der komplette Bericht vor. Marx habe bisher nur einen Teil der von den Prüfern geforderten Maßnahmen umgesetzt. So gebe es keine Aufarbeitungskommission zu dem Geschehen. Das Erzbistum verweise auf die Deutsche Bischofskonferenz, mit der man sich abstimmen wolle, da die Integrierte Gemeinde in mehreren Bistümern anerkannt war.