Berlin (epd). Ein zivilgesellschaftliches Bündnis hat am Dienstag vor dem Kanzleramt in Berlin ein wirksames EU-Lieferkettengesetz gefordert, das Unternehmen zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt verpflichtet. Der Entwurf des zuständigen EU-Ministerrats enthalte zahlreiche Schlupflöcher, kritisierte die Initiative Lieferkettengesetz. Mehrere EU-Regierungen, darunter Deutschland, versuchten weiterhin, das Vorhaben abzuschwächen.
Vertreter von Amnesty International, Greenpeace und Misereor präsentierten bei einer symbolischen Aktion vor dem Kanzleramt rund 90.000 Unterschriften für ein wirksames Lieferkettengesetz. Der Initiative gehören nach Angaben von Amnesty International rund 130 zivilgesellschaftliche Organisationen an, darunter Brot für die Welt, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und Oxfam Deutschland.
Wirksam sei ein EU-Lieferkettengesetz nur dann, wenn Betroffene von Menschenrechtsverletzungen Schadensersatz von den verantwortlichen Unternehmen in der EU einklagen könnten, sagte der Hauptgeschäftsführer von Misereor, Pirmin Spiegel. Der Dammbruch im brasilianischen Brumadinho und die Brände in asiatischen Textilfabriken hätten gezeigt, dass Zertifikate und Branchenstandards keine Garanten für Menschenrechte seien.
In der Textilindustrie entstünden 85 Prozent der Treibhausgase und Umweltschäden bereits zu Beginn der Produktion, betonte der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser. Ein wirksames Lieferkettengesetz müsse daher alle Produktionsschritte umfassen.
Die deutsche Bundesregierung stimmte am Donnerstag auf der Sitzung des zuständigen EU-Ministerrats „Wettbewerbsfähigkeit“ in Brüssel für den gemeinsamen Entwurf. Dieser sieht unter anderem vor, dass europäische Unternehmen auch zivilrechtlich für Schäden haften sollen, die sie durch Missachtung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten in ihrer Lieferkette verursacht haben. Die volle Sorgfaltspflicht ist nicht auf das erste Glied der Lieferkette begrenzt. Neben Menschenrechten sollen Unternehmen auch Umweltstandards achten und Klimapläne erstellen. Damit würde das EU-Lieferkettengesetz deutlich über das deutsche Lieferkettengesetz hinausgehen, das am 1. Januar 2023 in Kraft tritt.
Das EU-Parlament kündigte an, sich im kommenden Frühjahr zu dem EU-Lieferkettengesetz zu positionieren. Anschließend beginnen die als „Trilog“ bezeichneten Verhandlungen zwischen dem EU-Parlament, der EU-Kommission sowie dem Rat.