Köln (epd). Das Erzbistum Köln hat nach Ansicht des Kirchenrechtlers Norbert Lüdecke eine „moralische Bankrotterklärung“ vermieden. Das Erzbistum habe mit Blick auf die Schmerzensgeldklage eines Missbrauchsbetroffenen nicht auf der Verjährungsfrist bestanden, sagte Lüdecke am Dienstag im WDR5-„Morgenecho“ zum Start der Verhandlung vor dem Kölner Landgericht. Eine solche Verjährungseinrede des Bistums im Verfahren um langjährigen sexuellen Missbrauch hätte „das Gerede von Transparenz, vollständiger Aufarbeitung, Anerkennung von Leid endgültig als PR-Getue entlarvt“, sagte der Theologe und Kirchenrechtler.
In dem am Dienstag gestarteten Verfahren klagt ein Betroffener, der in den 70er Jahren von einem Priester des Erzbistums Köln in mindestens 320 Fällen missbraucht und vergewaltigt wurde, gegen das Erzbistum Köln unter anderem auf Schmerzensgeld in Höhe von 725.000 Euro. Der Kläger wirft dem Erzbistum vor, dass die Verantwortlichen die Taten eines Priesters nicht verhindert hätten.
Das Erzbistum hatte am Montagabend erklärt, dass Kardinal Rainer Maria Woelki keine Verjährung geltend machen werde. Ein staatliches Gericht solle über die Höhe der Schmerzensgeldforderung des betroffenen Mannes für die Taten eines Priesters befinden, der sexuellen Missbrauch begangen habe.
Lüdecke begrüßte zwar, dass das Erzbistum nicht auf eine Verjährung pocht. Aber er kritisierte, dass diese Zusage nur für diesen Fall gelte und andere Betroffene offenbar in Unsicherheit gelassen werden sollten. „Das heißt, die Taktiererei ist also noch nicht vorbei.“ In dem Prozess gehe es nicht nur um Geld, sondern um die Grundsatzfrage, ob und wie die Kirche als Organisation in der Haftung für sexualisierte Gewalt sei.
Der Prozess ist ungewöhnlich, da der beschuldigte Geistliche bereits tot ist und die Taten aus juristischer Sicht eigentlich verjährt sind. Dass eine Klage dennoch möglich ist, begründet der Anwalt des Klägers mit der sogenannten Amtshaftung der Kirche als öffentlich-rechtliche Institution.