Karlsruhe (epd). Die Leistungskürzung für alleinstehende erwachsene Asylbewerber in Sammelunterkünften ist einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zufolge verfassungswidrig. Die Regelung, wonach in Sammelunterkünften lebende Asylbewerber zehn Prozent weniger existenzsichernde Leistungen bekommen, verstoße gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil des Bundesverfassungsgerichts. (AZ: 1 BvL 3/21)
Für diese alleinstehenden erwachsenen Asylbewerber hatte der Gesetzgeber ab dem 1. September 2019 eine „Sonderbedarfsstufe“ geschaffen, die einen um zehn Prozent geringeren Bedarf an existenzsichernden Leistungen enthält. Diese Einstufung entspricht Paaren, die in Lebensgemeinschaften oder Ehen zusammenleben.
Für die Annahme, dass in Sammelunterkünften ebenso wie in Paarhaushalten gemeinsam „aus einem Topf“ gewirtschaftet werde, gebe es jedoch keine Grundlagen, entschied das höchste deutsche Gericht. Es sei nicht erkennbar, dass in den Sammelunterkünften regelmäßig tatsächlich Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften erzielt werden könnten, die eine Absenkung der Leistungen um zehn Prozent rechtfertigten.
Gegen die Regelung hatte ein 1982 geborener Mann aus Sri Lanka geklagt, der 2014 nach Deutschland eingereist war. Nach Ablehnung seines Asylantrags war er von November 2019 bis Februar 2020 in einer Sammelunterkunft untergebracht, im Besitz einer Duldung und vollziehbar ausreisepflichtig. Zwar teilte er sich mit einer Person einen Schlafraum und mit weiteren Personen Küche und Bad. Zwischen ihnen bestand kein Verwandtschaftsverhältnis.
Verfassungsrechtlich sei entscheidend, dass „Sozialleistungen fortlaufend realitätsgerecht bemessen werden und damit tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge getragen wird“, heißt es in dem Urteil. Der Gesetzgeber sei jedoch nicht verpflichtet, die Leistungen rückwirkend neu festzusetzen. Daher betrifft die Entscheidung nur diejenigen, die gegen ihre Leistungsbescheide geklagt oder Widerspruch eingelegt hatten. Sie erhalten rückwirkend ab dem 1. September 2019 mehr Geld.