Hannover (epd). In der Kontroverse um die Berufung von Niedersachsens neuer Kultusministerin Julia Hamburg in den Aufsichtsrat des Volkswagen-Konzerns bekommt die Grünen-Politikerin Unterstützung von der Theologin Margot Käßmann. „Eine Frau. Eine Grüne. Eine Fahrradfahrerin. Und die im VW-Aufsichtsrat? Könnten alle Aufgeregten bitte mal kurz einen Gang zurückschalten?“, forderte die frühere hannoversche Landesbischöfin am Freitag im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Hamburg sei ihrer neuen Aufgabe „sicher nicht nur gewachsen, sondern vor ihrem für diese Branche untypischen Hintergrund womöglich besser als viele andere in der Lage, dem VW-Aufsichtsrat neue Impulse zu geben“.
Die Welt steuere auf eine Klimakatastrophe zu, deshalb sei eine sozial-ökologische Transformation von Industrie und Wirtschaft alternativlos, sagte die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Gerade vor diesem Hintergrund brauche es Menschen, die mit „einer klaren Haltung und mit neuen Ideen“ zu einer wirklich nachhaltigen Entwicklung des Weltkonzerns beitragen. „Eine Frau wie Hamburg kann dem Gremium doch nur guttun“, unterstrich die Theologin. Die Ministerin werde sicher klug und konstruktiv agieren und habe bestimmt nicht vor, „den Aufsichtsrat aufzumischen“.
Der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Ulrich Hocker, hatte die Personalie Hamburg zuvor als „offensichtliche Fehlbesetzung“ bezeichnet und angekündigt, gegen die Berufung der Grünen-Politikerin in das Gremium zu klagen. Als Grund gab Hocker an, dass Hamburg als bekennende Radfahrerin ohne eigenes Auto und aufgrund fehlender Fachkompetenz nicht für das Amt in dem Automobilkonzern geeignet sei. Daraufhin hatte Hamburg unter anderem von Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), Rückendeckung erhalten. Lies bekleidete das Aufsichtsratsmandat, damals als Wirtschaftsminister, von 2013 bis 2017.
Käßmann sagte, sie stelle immer wieder fest, dass gerade in etablierten Strukturen und Machtgefügen eine massive Angst vor Veränderung verbreitet sei. Gerade im Wirtschaftsleben sei eine solche Haltung aber fatal, betonte die Theologin: „Wirtschaft braucht immer das Wagnis, neu zu denken, statt an Althergebrachtem festzukleben. Ich wünsche mir mehr Mut, alte Muster zu verlassen und offen zu sein für Perspektiven - und in diesem Fall auch für Personen.“