Hannover (epd). Der evangelische Landesbischof Ralf Meister aus Hannover hat seine Forderung nach einer Entfernung und Zerstörung der „Judensau“ an der Fassade der evangelischen Stadtkirche in Wittenberg bekräftigt. Als gut begründeter Einzelfall könne diese antisemitische Schmähplastik aus dem Mittelalter in einem symbolischen Akt öffentlich zerschlagen werden, sagte Meister am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd): „In vielen Gesprächen mit Jüdinnen und Juden ist mir zunehmend klar geworden, dass dieses Objekt auch heute noch als extreme Diskreditierung und Diffamierung ihres Glaubens auf schäbigstem Niveau wahrgenommen wird.“
Er selbst habe lange Zeit viel Verständnis dafür gehabt, das steinerne Relief als Lernobjekt mit einer Texttafel versehen als Mahnstätte an der Fassade dieser Kirche zu belassen, sagte Meister. Doch inzwischen habe er umgedacht. „Allein schon die Bezeichnung, die wir dafür verwenden, ist eine massive und immer noch aktuelle antisemitische Provokation“, betonte der Theologe, der auch Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) ist. „Das ist sozusagen eine lebendige Beleidigung.“
Meister hatte seine Forderung bereits am Vorabend des Reformationstages in einer Diskussion mit dem Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, erhoben. Zuvor hatte der Wittenberger Gemeindekirchenrat nach jahrelangem Streit bekannt gegeben, dass die Plastik nicht entfernt werden, sondern als Mahnstätte erhalten bleiben soll. Das Relief aus dem Jahr 1290 zeigt eine Sau, an deren Zitzen sich Menschen laben, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Schweine gelten im Judentum als unrein.
Auch eine Verhüllung des Reliefs ist für Meister zu wenig. In der Vergangenheit seien markante Gebäude immer wieder ergänzt, abgebaut, umgebaut und zum Teil abgerissen worden. „Erst seit einiger Zeit gibt es diesen Ansatz, dass man diese Dinge zwangsläufig in möglichst ursprünglichem Zustand erhalten möchte.“ Der Landesbischof lehnte es zudem ab, die Schmähplastik in ein Museum zu bringen, wie es der Antisemitismus-Beauftragte Klein vorgeschlagen hatte: „Warum soll ich eine Schmähplastik, die eine tiefe Beleidigung einer religiösen Überzeugung ausdrückt, dann noch für alle Leute im Museum ausstellen?“, sagte er.
Bei seiner Forderung gehe es nicht um einen Bildersturm, erläuterte der Landesbischof. Manche veralteten Objekte könnten in ihren historischen Kontakt eingeordnet werden und so stehen bleiben. Doch hier werde eine Aussage dargestellt, die Menschen „in ekelerregender Weise“ entwürdige. Es gebe in Deutschland Tausende von Lernobjekten, an denen sich die „unsägliche Geschichte“ des Antisemitismus ablesen lasse. Es gehe nicht darum, das alles zu vernichten, sondern um diesen besonderen Einzelfall.