Frankfurt a.M. (epd). Nach tagelangem Warten auf See verschärft sich die Lage für Hunderte aus Seenot gerettete Menschen im Mittelmeer. Allein an Bord der „Geo Barents“ müssten 572 geschwächte Menschen weiter ausharren und seien dringend auf die Zuweisung eines sicheren Hafens angewiesen, erklärte die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ am Mittwoch. Unter den Geretteten seien auch schwangere Frauen und mehr als 60 teils unbegleitete Minderjährige und kleine Kinder.
Die Menschen waren in sieben Rettungsaktionen Ende Oktober an Bord der „Geo Barents“ geholt worden. Alle Einsätze hätten in der maltesischen Seenotrettungszone stattgefunden. Doch obwohl die zuständigen Behörden rechtzeitig informiert und die maltesischen Behörden wiederholt um Koordinierung gebeten worden seien, seien alle Anfragen unbeantwortet geblieben, beklagten die Seenotretter. Auch die italienischen Behörden seien bereits mehrfach kontaktiert worden.
Die Geretteten müssten nun so schnell wie möglich und ohne große Umwege an einen sicheren Ort gebracht werden, betonte Riccardo Gatti, der Einsatzleiter an Bord der „Geo Barents“. „Wir haben 572 Menschen an Bord mit 572 verschiedenen Geschichten“, sagte er. An Bord befindet sich etwa ein Junge, der unbedingt nach Deutschland wolle, da dort seine unheilbar an Krebs erkrankte Mutter sei. „Er möchte sie ein letztes Mal sehen, bevor sie stirbt“, erklärte Gatti. Ein Visum habe der Junge nicht bekommen können, sodass die tödlichste Route der Welt seine einzige Hoffnung gewesen sei.
Mit 179 Menschen an Bord wartete auch die „Humanity 1“ auf die Erlaubnis, in einen europäischen Hafen einzufahren. Auf der „Ocean Viking“ harrten am Mittwoch weiter 234 Männer, Frauen und Kinder aus.
Häufig müssen die privaten Seenotretter tagelang warten, bis sie einen Hafen in Europa zugewiesen bekommen. Die neue rechtsgerichtete Regierung in Italien hat zudem einen künftig schärferen Kurs signalisiert.
Das Mittelmeer zählt zu den gefährlichsten Fluchtrouten weltweit. Es gibt dort keine staatlich organisierte Seenotrettung. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen bei der Überquerung in diesem Jahr bereits 1.765 Menschen ums Leben oder werden vermisst. Die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen.