Weiter Debatte um antisemitisches Erbe in evangelischer Kirche

Weiter Debatte um antisemitisches Erbe in evangelischer Kirche
Auch nach dem Beschluss der Stadtkirchengemeinde in Wittenberg für einen Verbleib der sogenannten "Judensau" an der Kirchenfassade geht die Diskussion um das mittelalterliche Schmährelief weiter. Die Debatte wird sehr emotional geführt.

Frankfurt a.M. (epd). Die Debatte um das antisemitische Erbe in der evangelischen Kirche geht weiter. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister sprach sich für die Entfernung und Zerstörung der „Judensau“ an der Fassade der evangelischen Stadtkirche Wittenberg aus. „Man sollte sie nicht nur entfernen, sondern radikal vernichten, zerstören und kaputt machen“, sagte Meister am Sonntagabend in der Marktkirche in Hannover.

Meister reagierte damit auf den Vorschlag des Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, derartige Skulpturen ins Museum zu stellen. Der Wittenberger Gemeindekirchenrat hatte am vergangenen Dienstag nach jahrelangem Streit beschlossen, dass die judenfeindliche Plastik aus dem Mittelalter an Martin Luthers Predigtkirche nicht entfernt werden, sondern als Mahnstätte und Lernort erhalten bleiben soll.

Felix Klein hatte sich zuvor skeptisch gegenüber einem „Bilderverbot“ gezeigt. Zudem sollten nicht Gerichte über diese Frage entscheiden - wie im Falle von Wittenberg der Bundesgerichtshof. Dieser hatte im Juni geurteilt, dass die „Judensau“ trotz des antijüdischen Inhalts an seinem historischen Ort verbleiben kann, da die Distanzierung der Gemeinde ausreichend sei. Klein und Meister diskutierten am Vorabend des Reformationstages zum Thema Judentum und Reformation.

Unterdessen bekräftigte der Direktor der LutherMuseen, Stefan Rhein, sein Votum für einen Verbleib des „Judensau“-Reliefs an der Wittenberger Stadtkirche. „Geschichte kann nicht entsorgt werden“, sagte Rhein dem Magazin „Zeitzeichen“ in einem am Montag online veröffentlichten Interview: „Das Relief abzunehmen, macht nichts besser.“

Die Gemeinde in Wittenberg habe sich vor allen anderen in Deutschland mit dem Schandmal beschäftigt und die damit verbundene Schuld sichtbar gemacht, sagte Rhein: „Es gab hier schon 1988 eine Ausstellung über jüdisches Leben und Antisemitismus in Wittenberg zur Zeit des Nationalsozialismus.“ Daher dürfe man diese Gemeinde, die sich dieser Schuld unter schwierigen politischen Vorzeichen gestellt hat, nicht auf die Anklagebank setzen.

Der Antisemitismus-Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Staffa, bezeichnete das Relief als „Kirchensau“. Emotional sei „eigentlich klar, dass sie weg muss. Intellektuell ist es aber so, dass man sich mit diesen Abgründen auch bildhaft beschäftigen muss“, sagte Staffa dem Online-Portal „Die Eule“ (Montag): „Da die Darstellung aber so obszön und gotteslästerlich ist, habe ich schon immer für eine Verhüllung plädiert.“

Staffa: „Wo ich bekenntnishaft agieren würde: Ich will die Sau nicht im Museum haben, weil ich sehr entschieden dafür bin, dass die Verbindung zum Kirchlichen bleiben muss, sonst stehlen wir uns aus der Verantwortung.“

Das als „Judensau“ bekannte Sandsteinrelief wurde um das Jahr 1290 an der Südfassade der Stadtkirche Wittenberg angebracht. Die Schmähplastik zeigt eine Sau, an deren Zitzen sich Menschen laben, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Schweine gelten im Judentum als unrein.