Frankfurt a.M. (epd). Unions- und Regierungsparteien streiten weiter über das geplante Bürgergeld. CSU-Chef Markus Söder sieht eine Gerechtigkeitslücke, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert weist diese Sicht zurück. Andere Politikerinnen und Politiker beider Seiten geben sich jedoch kompromissbereit.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja hatte die Debatte ausgelöst. Dem „Tagesspiegel“ (Sonntag), sagte er, falls die Ampel-Koalition nicht zu weitreichenden Zugeständnissen bereit sei, wolle die Union das Gesetz in seiner bisherigen Form im Bundesrat blockieren. Der bayerische Ministerpräsident Söder bekräftigte die Kritik an den Bürgergeld-Plänen der Ampel-Koalition am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. „Dieses Bürgergeld geht einfach in die falsche Richtung“, sagte er und forderte eine „grundlegende Überarbeitung“.
Er erwarte durch das Bürgergeld soziale Verwerfungen bei Menschen in unteren Einkommensgruppen, warnte Söder. Es sei ungerecht, dass zum Beispiel Kassiererinnen, Busfahrer, Polizistinnen und Friseure in Berlin oder München am Ende weniger Geld zur Verfügung hätten, wenn sie arbeiten, als wenn sie nicht arbeiten. Er kritisierte auch das vorgesehene hohe Schonvermögen.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte am Montag im Deutschlandfunk zur Kritik der Union am Schonvermögen, seine Partei halte es nicht für gerecht, dass Menschen, die immer viel gearbeitet haben und „durch äußere Umstände ins Strudeln geraten“, alle Substanz aufbrauchen sollen. Das Argument, dass die höheren Bürgergeldsätze den Anreiz zum Arbeiten mindern, ließ Kühnert nicht gelten. Der Unterschied zwischen Erwerbstätigen und Transferleistungsbeziehern müsse über die Erwerbseinkommen deutlich werden. Die Sprecherin für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Linksfraktion, Jessica Tatti, bezeichnete den Vorstoß der Union als „miese Stimmungsmache“.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai warnte die Union in der RTL-Sendung „Frühstart“ am Montag davor, sich „auf Kosten des Landes zu profilieren“. Er könne die Drohung mit einer Blockade nicht nachvollziehen, sagte er, signalisierte aber Gesprächsbereitschaft über Details und Sachfragen.
SPD-Chefin Saskia Esken sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag): „Wenn die unionsgeführten Bundesländer beim Bürgergeld Detailfragen klären wollen, sind wir dazu bereit.“ Nicht verhandelbar sei allerdings, dass es bei der Einführung des Bürgergelds zur Überwindung von Hartz IV „in erster Linie um Respekt“ gehe. Über einen Ausgleich der Inflation hinaus müssten Wege zur nachhaltigen Überwindung der Notlage von Menschen eröffnet werden.
Unions-Fraktionsvize Gröhe sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ : „Ein Vermittlungsverfahren zum Bürgergeld macht Sinn, wenn sich die Ampel bereiterklärt, die tiefgreifenden Webfehler ihres Vorhabens zu korrigieren.“ Man unterstütze „einen Inflationsausgleich ausdrücklich“. Und die Union setze sich dafür ein, dass die Erhöhung zum 1. Januar 2023 in Kraft tritt. „Dafür gibt es Mittel und Wege auch außerhalb des Bürgergeld-Gesetzes“, sagte der CDU-Politiker.
Das Bundesarbeitsministerium wollte den Streit mit Verweis auf das parlamentarische Verfahren am Montag nicht kommentieren. Die Entscheidungen müssten dort getroffen werden, sagte ein Sprecher von Minister Hubertus Heil (SPD) in Berlin. Auch zu Überlegungen, als Plan B eine Erhöhung der Hartz IV-Sätze auf den Weg zu bringen, sollte das Bürgergeld zum Jahresanfang nicht in Kraft treten können, äußerte er sich nicht.
Das Bürgergeld soll vom 1. Januar 2023 an die Hartz-IV-Leistungen ablösen. Die Ampelparteien wollen höhere Regelsätze, weniger Sanktionen als bisher und deutlich höhere Schonvermögen. In den ersten beiden Jahren des Bezugs sollen Wohnung und Erspartes so besser geschützt sein als im Hartz-IV-System.
Für den 10. November ist die zweite und dritte Lesung des Gesetzes im Bundestag angesetzt. Danach wird es an den Bundesrat weitergegeben. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat ist in der Länderkammer die Zustimmung unionsgeführter Bundesländer erforderlich, damit das Bürgergeld wie geplant zum 1. Januar nächsten Jahres in Kraft treten kann.