Theologe Reinert: Ökumene der Zukunft ist pragmatisch

Theologe Reinert: Ökumene der Zukunft ist pragmatisch
24.10.2022
epd
epd-Gespräch: Stephan Cezanne

Bensheim (epd). Der Theologe Jonathan Reinert sieht in einer pragmatischen Zusammenarbeit der Kirchen die Zukunft der Ökumene. Diese „Ökumene der Beziehungen wird sich intensivieren“, sagte der Referent für Weltökumene des Konfessionskundlichen Instituts im südhessischen Bensheim dem Evangelischen Pressedienst (epd). Als Beispiele nannte er gemeinsam genutzte Gemeindehäuser, Kinderbibelwochen, diakonische Angebote sowie Krankenhaus-, Gefängnis- oder Militärseelsorge und Religionsunterricht - „alles, wo man Ressourcen sparen und Doppelstrukturen abbauen kann.“

Er gehe davon aus, dass es in Zukunft vermehrt eine praktisch gelebte Ökumene geben wird, „die nicht von Kommissionen getragen wird, sondern eher vom unmittelbaren Miteinander der Kirchen und Gemeinden“, sagte Reinert. Wenn Christen unterschiedlicher Konfessionen miteinander „auf dem Weg sind, ist es zweitrangig, über welche Strukturen oder hochrangigen Gremien das geschieht“, sagte der Referent für Weltökumene. Dies scheine aktuell ein Trend zu sein, sagte Reinert aus Anlass der Gründung des Konfessionskundlichen Instituts des Evangelischen Bundes im südhessischen Bensheim vor 75 Jahren, am 1. November 1947.

Er nehme eine Spannung wahr zwischen der oft geäußerten Müdigkeit, Stagnation und Frustration bei den - allerdings noch immer unverzichtbaren - klassischen ökumenischen Dialogen auf der einen Seite und einer zunehmenden ökumenischen Selbstverständlichkeit im praktischen kirchlich-gemeindlichen Vollzug, etwa bei der gemeinsamen Nutzung von Gebäuden: „Man macht es halt“. So werde auch die Abendmahlsfrage an der Basis oft pragmatisch gelöst, weil in vielen Gemeinden nicht mehr nach evangelisch oder katholisch gefragt werde.

Auf Weltebene sieht Reinert einen verstärkten Schulterschluss zwischen dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), der weltweiten Evangelischen Allianz und der weltweiten Pfingstbewegung. Dies sei auch auf der 11. Vollversammlung des Weltkirchenrats in Karlsruhe im September deutlich geworden.

Man dürfe die ökumenische Bewegung nicht mit dem ÖRK identifizieren, so Reinert. Die traditionelle theologisch und kirchenpolitisch orientierte ökumenische Arbeit in Kommissionen und Ausschüssen stoße mit Blick auf Gemeinden aus dem charismatischen oder evangelikalen Spektrum schnell an Grenzen. Es brauche noch andere Formate, sowohl lokal als auch weltweit. Bestes Beispiel dafür sei das „Global Christian Forum“, in dem junge, zum Teil unabhängige Kirchen gleichberechtigt neben etablierten ÖRK-Kirchen und der römisch-katholischen Kirchen vertreten sind. Dies sei eine Plattform der Begegnung und des Austauschs.

Die künftigen Schwerpunktthemen der Ökumene sind Reinert zufolge weniger die klassischen theologisch-dogmatischen Lehrfragen, sondern eher ethische Themen, etwa der Umgang mit Homosexualität. Dabei gingen die Trennlinien quer durch die Konfessionen. Ein aufkommender Konservatismus, der quer durch die Konfessionen verläuft, werde auch die Ökumene der Zukunft beeinflussen.