Mainz, Regensburg (epd). Die Aufarbeitung von Missbrauch und sexueller Gewalt im katholischen Bistum Mainz dauert länger als ursprünglich geplant. Der Regensburger Rechtsanwalt Ulrich Weber kündigte am Dienstag an, er werde seinen umfangreichen Abschlussbericht Anfang März nächsten Jahres vorlegen. Bislang war eine Veröffentlichung bereits im Herbst dieses Jahres geplant. Seit der Vorlage eines Zwischenberichts vor knapp zwei Jahren habe es zahlreiche weitere Hinweise auf Missbrauchsfälle auch von Betroffenen gegeben.
Aktuell würden noch immer Gespräche geführt. Ursache für die Verzögerung sei nicht nur die Coronavirus-Pandemie, die persönliche Treffen sehr erschwert habe. Auch Ergebnisse einer Fragebogenaktion unter allen Gemeinden und Einrichtungen hätten eine Rolle gespielt. Eigentlich sollte die Umfrage den Abschluss der Studie bilden. „Es stellte sich jedoch heraus, dass die Ergebnisse weitere Kontakte notwendig machten“, teilte Weber in einer Presseerklärung mit.
Das katholische Bistum Mainz hatte Weber 2019 mit einer unabhängigen Aufarbeitung des Missbrauchsskandals beauftragt. In seinem Zwischenbericht von 2020 war der Anwalt zu dem Ergebnis gekommen, dass Verantwortliche des Bistums bis in die Amtszeit von Kardinal Karl Lehmann (1983-2016) hinein zahlreiche Missbrauchsfälle vertuscht hatten. Nach dem intensiven Studium teils geheimer Akten und über 100 Gesprächen mit Betroffenen und deren Angehörigen hatte Weber die Zahl der Opfer von Missbrauch und sexuellen Grenzverletzungen im Bistum Mainz zwischen 1945 und 2019 mit mindestens 422 angegeben und die Zahl der Beschuldigten auf mindestens 273 beziffert.
Kirchliche Stellen hätten beschuldigten Mitarbeitern oft ein grenzenloses Vertrauen entgegengebracht, Täter seien selbst bei gravierenden Verfehlungen kirchenintern oft nur milde sanktioniert und Opfer unter Druck gesetzt worden, damit sie über ihre Erlebnisse schwiegen. Parallel zu der externen Untersuchung durch Weber und sein Team versucht das Bistum, den Missbrauchsskandal auch durch eine Kommission unter dem Vorsitz der ehemaligen Mainzer CDU-Bundestagsabgeordneten Ursula Groden-Kranich aufzuarbeiten.