Studie sieht Vertrauenskrise bei jungen Menschen

Studie sieht Vertrauenskrise bei jungen Menschen
Das Vertrauen von jungen Menschen in die Gesellschaft nimmt tendenziell ab, sagen die Autoren der neuen "Vertrauensstudie" von der Uni Bielefeld.

Berlin (epd). Das Vertrauen vieler Jugendlicher in andere Menschen ist schwer erschüttert. Zu diesem Ergebnis kommt die am Dienstag in Berlin vorgestellte „Vertrauensstudie 2022“ der Universität Bielefeld. So würden zwei Drittel der Jugendlichen (63,6 Prozent) anderen Menschen nicht vertrauen. Etwa jeder zweite Jugendliche meine, wer sich auf andere verlasse, werde ausgenutzt (49,3 Prozent). Zudem verfüge etwa ein Viertel der Zwölf- bis 16-Jährigen nur über wenig Selbstvertrauen.

Die Studie beruht auf einer Umfrage von 751 Jugendlichen zwischen zwölf und 16 Jahren und 831 Kindern im Alter von sechs bis elf Jahren. Die „Vertrauensstudie“ wird seit 2009 alle zwei Jahre mit unterschiedlichen Fragen im Auftrag der Bepanthen-Kinderförderung des Pharma-Unternehmens Bayer Vital GmbH erstellt.

Ohne Vergleichszahlen zu anderen oder früheren Studien zu nennen, sagte Studienleiter Holger Ziegler, „das Vertrauen nimmt tendenziell ab“. Dabei sei eine „gesunde Skepsis“ sicherlich sinnvoll und bei Heranwachsenden Zweifel an sich und anderen durchaus erwartbar, so der Erziehungswissenschaftler an der Uni Bielefeld.

Als „alarmierend“ nannte Ziegler aber „das eklatante Misstrauen der Jugendlichen in die Medien“. So hätten drei Viertel der Zwölf bis 16-Jährigen (75,8 Prozent) kein Vertrauen in Zeitungen. Fast genau so viele (71,6 Prozent) misstrauten Journalisten. Mehr als ein Drittel der Jugendlichen vermutet demnach, dass die Medien absichtlich wichtige Informationen zurückhalten (37,9 Prozent) und nur ihre eigene Meinung verbreiten (32,8 Prozent).

Auch das Vertrauen in öffentliche Einrichtungen, wie etwa Behörden oder politische Organisationen, sei unter Jugendlichen nur mäßig ausgeprägt, so Ziegler. Nur jeder Zweite vertraue etwa der Bundesregierung (53,9 Prozent). Deutlich höheres Vertrauen genießen dagegen Wissenschaftler (76,1 Prozent) und die Polizei (79,9 Prozent).

Dabei zeigt mehr als jeder dritte Jugendliche (38,2 Prozent) aus bildungsferneren oder ärmeren Familien eine „Tendenz zur Verschwörungsneigung“, so der Studienleiter. Bei Jugendlichen aus Familien mit „überdurchschnittlichem sozioökonomischen Status“ seien es nur 9,2 Prozent.

Einfluss hat die Vertrauenskrise junger Menschen auch auf deren Einschätzung der Zukunft. So blickt ein Viertel der Jugendlichen (25,8 Prozent) eher pessimistisch in die Zukunft. Fast drei Viertel (74,1 Prozent) sorgen sich um den Klimawandel sowie um Umweltverschmutzung (69,3 Prozent), Krieg (66,4 Prozent) und Armut (64,1 Prozent).

Für den Leiter des Kinderhilfswerks „Die Arche“, Bernd Siggelkow, sind die fehlenden „Vertrauenspersonen“ für Heranwachsende in Kitas, Schulen und Freizeiteinrichtungen eine der Ursachen: „Es fehlen Menschen, die andere an die Hand nehmen und ihnen Perspektiven geben.“ Benötigt würden etwa mehr Nachbarschaftszentren sowie eine verlässliche Finanzierung von sozialer Jugendarbeit. Aktuell nehme die „Hoffnungslosigkeit in bestimmten Schichten“ zu, sagte Siggelkow. Dessen Kinderstiftung wird durch die Bepanthen-Kinderförderung von Bayer unterstützt.