Berlin (epd). Europa hat nach Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „erheblichen Nachholbedarf“ bei der Verteidigung gegen Bedrohungen aus der Luft. Scholz sagte am Montag bei einer Rede an der Karls-Universität zu Prag, dass Deutschland ganz erheblich in diesen Bereich investiere und die Luftverteidigung so ausgestalten werde, dass sich die europäischen Nachbarn daran beteiligen könnten, wenn sie es wünschten.
Ein gemeinsam aufgebautes Luftverteidigungssystem in Europa wäre seiner Argumentation nach nicht nur kostengünstiger und effizienter als jeweils eine eigene teure, hochkomplexe Luftverteidigung in den einzelnen Ländern. „Es wäre ein Sicherheitsgewinn für ganz Europa“, sagte der deutsche Regierungschef.
Scholz sprach erneut von einer „Zeitenwende“, die der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine eingeläutet habe. Er betonte dabei, dass Europa eine „neue Friedensaufgabe“ habe. Das vereinte Europa sei einst als ein nach innen gerichtetes Friedensprojekt geboren worden, mit dem Ziel, dass es nie wieder Krieg zwischen seinen Mitgliedsstaaten geben solle.
Heute gehe es darum, dieses Friedensversprechen weiterzuentwickeln, indem die Europäische Union in die Lage versetzt werde, ihre Sicherheit, ihre Unabhängigkeit und ihre Stabilität auch gegenüber Herausforderungen von außen zu sichern. „Auf das zurückliegende unkoordinierte Schrumpfen europäischer Armeen und Verteidigungsbudgets, sollte jetzt ein koordinierter Aufwuchs europäischer Fähigkeiten erfolgen“, sagte er.
Der Kanzler sprach sich für eine engere Zusammenarbeit der europäischen Unternehmen bei Rüstungsprojekten aus und einen eigenständigen Rat der EU-Verteidigungsministerinnen und -minister. Eine europäische Kooperation, wie sie in der Organisation zum Management von gemeinsamen Rüstungsvorhaben schon praktiziert werde, könnte Scholz zufolge zum „Nukleus“ werden für ein Europa der gemeinsamen Verteidigung. Dafür müssten aber alle nationalen Vorbehalte und Regularien überprüft werden. Als Beispiel nannte er Regeln für die Nutzung und den Export gemeinsam hergestellter Systeme. Deutschland werde zudem dafür sorgen, dass die geplante schnelle EU-Eingreiftruppe der 2025 einsatzfähig sei.
Beim Besuch des Kanzlers in Tschechien stand auch ein Austausch mit Ministerpräsident Petr Fiala auf dem Programm. Die Tschechische Republik hat die EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli von Frankreich übernommen.