Berlin (epd). Mit einer Gasumlage von 2,419 Cent pro Kilowattstunde werden Verbraucher ab Oktober an zusätzlichen Beschaffungskosten der Gasversorger beteiligt. Das gab die für das deutsche Marktgebiet verantwortliche Gesellschaft Trading Hub Europe am Montag in Berlin bekannt. Über die Umlage können Unternehmen bis Ende März 2024 den Großteil der Kosten an ihre Kunden weitergeben, die ihnen entstehen, weil sie ausbleibende Lieferungen aus Russland mit teurerem Gas ersetzen müssen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte: „Diese Umlage ist die gerechtestmögliche Form, die zusätzlich aufgelaufenen Kosten in der Bevölkerung zu verteilen.“ Er betonte: „Die Alternative ist nicht, keine Umlage. Die Alternative wäre der Zusammenbruch des deutschen Energiemarktes gewesen und damit weite Teile des europäischen Energiemarktes.“
Seinen Angaben nach kommen pro Jahr bei einem Single-Haushalt mit einem Gasverbrauch von 4.000 Kilowattstunden damit durchschnittlich 97 Euro hinzu, bei einem Zwei-Personen-Haushalt 194 Euro und beim Vier-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 12.000 Kilowattstunden 290 Euro. Die Verbraucherzentrale Bundesverband ging wiederum von einem Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden aus, mit einer Mehrbelastung von mehr als 480 Euro ohne Mehrwertsteuer.
Habeck sagte, für die einen werde die Umlage kaum spürbar sein, für die anderen sei es aber der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringe. „Und es darf nicht überlaufen.“ Daher seien zielgerichtete Entlastungen nötig. Er nannte die Neuberechnung, Erhöhung und Ausweitung des Wohngeldes, die Umstellung von Hartz IV auf ein Bürgergeld und das Verhindern von Gassperren im Winter. Zu der von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vorgeschlagenen steuerlichen Entlastung durch einen Abbau der kalten Progression sagte er, bei knappen Geldern sei fraglich, wie zielgenau diese Maßnahme sei. Er sei überzeugt, dass man bei armutsgefährdeten Menschen ansetzen müsse. Habeck sprach sich darüber hinaus auch dafür aus, Übergewinne von Firmen in dieser Situation für die Armutsbekämpfung zu nutzen.
Der Sozialrechtsexperte Harald Thomé sprach sich für eine Wohngeldreform ab dem 1. Oktober aus. Dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte er, einkommensschwache Haushalte müssten sofort gestützt werden. Laut dem Fachmann gibt es zwei Wege, bedürftige Personen gezielt finanziell zu entlasten. Entweder der Staat gebe allen Bürgerinnen und Bürgern, die knapp oberhalb der Bedürftigkeitsgrenze für Sozialleistungen liegen, einen Zuschuss, oder man weite den Kreis der Berechtigten beim Wohngeld deutlich aus. Es sei sinnvoll, ein bereits bestehendes System der sozialen Absicherung zu nutzen.
Der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien, befürchtet, dass die Einführung der Gasumlage die Inflationsrate noch einmal sprunghaft erhöht. Wenn auf die Umlage Mehrwertsteuer erhoben werde, steige die Rate um 1,0 Prozentpunkte, erklärte er. Ohne Mehrwertsteuer wäre der Inflationseffekt seinen Berechnungen nach 0,8 Prozentpunkte.
Der Paritätische Gesamtverband warnte vor einer neuen Armutsspirale bis hin zu Wohnungsverlust, sollten nicht unverzüglich Ausgleichsmaßnahmen getroffen werden. „Es braucht hier kein Entlastungspäckchen für alle, sondern ein großes Paket für die Armen“, erklärte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. „Wir nehmen die Bundesregierung beim Wort und erwarten umfassende Hilfen für alle, die sie benötigen.“
Die Gasumlage kann alle drei Monate aktualisiert werden. Zwölf Gasimporteure haben laut Wirtschaftsministerium bislang Ersatzbeschaffungskosten angemeldet und insgesamt 34 Milliarden Euro an Kosten geltend gemacht.