Wuppertal (epd). Der Sozialrechtsexperte Harald Thomé sieht ärmere Haushalte durch die Gasumlage von rund 2,4 Cent pro verbrauchtem Kubikmeter ab Oktober finanziell stark unter Druck. „Der Staat muss sich jetzt schnell überlegen, wie er denjenigen hilft, die diese hohen Mehrkosten nicht mehr stemmen können“, sagte Thomé dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Montag. Einkommensschwache Haushalte müssten sofort gestützt werden, etwa indem die Wohngeldreform vorgezogen werde.
Grundsätzlich sei die Gasumlage ein richtiges Instrument, weil die steigenden Beschaffungskosten auf alle Schultern verteilt würden. „Aber es sollte alles getan werden, dass auf diese Umlage nicht auch Mehrwertsteuer bezahlt werden muss, weil das dann für die Verbraucher noch teurer wird“, sagte der Mitgründer des Erwerbslosen- und Sozialhilfevereins Tacheles in Wuppertal. Die verantwortliche Gesellschaft Trading Hub Europe hatte am Montag in Berlin die Höhe der künftigen Gasumlage mit 2,419 Cent pro Kilowattstunde bekannt gegeben.
Thomé zufolge müssen zunächst die wirklich armen Menschen etwa im Hartz-IV-Bezug wirksam unterstützt werden, was nur über einen deutlich höheren Regelsatz geschehen könne. Diese Forderung sei nicht nur vor dem Hintergrund der gestiegenen Energiekosten, sondern wegen der Preissteigerungen ganz allgemein berechtigt. „Hier sind die Ärmsten der Armen unmittelbar betroffen.“
Theoretisch seien Hartz-IV-Bezieher nicht von den hohen Gaspreisen betroffen, weil die Jobcenter die Heizkosten zu tragen haben. „Die Realität sieht aber anders aus. Denn die Jobcenter und Sozialämter übernehmen oft die tatsächlichen Heizkosten nicht.“ Auch die angekündigte Bürgergeld-Reform habe hier keine Auswirkungen, sagte Thomé, weil es Veränderungen bei den Heizkosten nur für Personen geben werde, die erstmals neu in das Hilfesystem kämen.
Laut dem Fachmann gibt es zwei Wege, bedürftige Personen gezielt finanziell zu entlasten. Entweder der Staat gebe allen Bürgerinnen und Bürgern, die knapp oberhalb der Bedürftigkeitsgrenze für Sozialleistungen liegen, einen Zuschuss, oder man weite den Berechtigtenkreis beim Wohngeld deutlich aus. „Dazu muss es eine Wohngeldreform schon ab dem 1. Oktober geben“, sagte Thomé. Das sei der geeignete Weg der Unterstützung, denn es sei sinnvoll, ein bereits bestehendes System der sozialen Absicherung zu nutzen.