Berlin (epd). Ein Jahr nach der Machtübernahme der radikal-islamischen Taliban in Afghanistan verstärken sich die Forderungen zur Rettung ehemaliger afghanischer Ortskräfte deutscher Institutionen. Beim ersten „Kongress afghanische Ortskräfte“ in Berlin diskutierten ehemalige afghanische Helfer der Bundeswehr in der Französischen Friedrichstadtkirche mit Politikern über ein mögliches Vorgehen.
Der Vorsitzende des Patenschaftsnetzwerks Afghanische Ortskräfte, Marcus Grotian, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), ein Jahr sei vergangen und immer noch seien zahlreiche dieser Menschen nach wie vor in Afghanistan. Viele von ihnen würden niemals eine Aufnahmezusage erhalten, „weil man sich nicht ehrlich macht, wer wirklich für uns arbeitet“, kritisierte er. Dass es aber inzwischen auch zahlreiche Menschen mit Zusagen gebe, liege daran, dass sich etwas verbessert habe. Nur zehn Prozent der Zusagen seien von der alten Regierung gemacht worden und 90 Prozent von der neuen. Das Patenschaftsnetzwerk hat den Kongress mitorganisiert.
Die Bundestagsabgeordneten Helge Lindh (SPD), Robin Wagner (Grüne) und Alexander Müller (FDP) sagten, es müsse alles getan werden, um so viele Ortskräfte und deren Familien wie möglich aus Afghanistan zu retten. Der ehemalige parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Peter Tauber (CDU) äußerte die Hoffnung, dass die Fehler der Vergangenheit künftig nicht mehr passierten und die Menschen, die für Deutschland gearbeitet hätten, nicht das Gefühl bekämen, Deutschland lasse sie im Stich. Es müsse gesetzlich geregelte Perspektiven für Ortskräfte geben.
An dem Kongress nahm auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), teil, die sich dafür aussprach, das Aufnahmeverfahren für Ortskräfte zu erleichtern. An sie richtete sich eine Petition, in der die Organisation Pro Asyl, ebenfalls Mitorganisatorin des Kongresses, die Regierung aufforderte, auch jene Personen als Ortskräfte zu betrachten, die etwa als Subunternehmer für die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gearbeitet haben. Die Aufnahme von Ortskräften sei kein Gnadenakt, sondern Pflicht.
„Dass die Bundesregierung fast ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban und mehr als sechs Monate nach Regierungswechsel noch immer kein funktionierendes Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Menschen aus Afghanistan realisiert hat, ist unverantwortlich gegenüber den Menschen, die sich in Afghanistan für Menschenrechte und Demokratie eingesetzt haben und in Gefahr sind“, erklärte Geschäftsführer Günter Burkhardt am Samstag. „Die Aufnahme muss sofort beginnen, denn jeder Tag des Wartens ist ein Tag in Lebensgefahr für die betroffenen Menschen.“