Böckler-Stiftung rechnet für 2022 mit deutlichen Reallohnverlusten

Böckler-Stiftung rechnet für 2022 mit deutlichen Reallohnverlusten

Düsseldorf (epd). Experten der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung halten für 2022 deutliche Reallohnverluste in allen EU-Ländern für wahrscheinlich. Die Entwicklung der Bruttolöhne könne EU-weit und auch in Deutschland um 2,9 Prozent hinter der Preissteigerung zurückbleiben, erklärte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut WSI der Stiftung am Dienstag in Düsseldorf. Die Forscher sehen in ihrem neuen europäischen Tarifbericht demnach keine „Anzeichen für eine sich überhitzende Lohndynamik“, die die Inflation verstärken könnte.

Für 2022 rechnen die Forscher mit einer Steigerung der Nominallöhne in Deutschland etwa wie im Vorjahr, als es ein Plus von 3,4 Prozent gab. Dies liege deutlich unter der allgemeinen Preissteigerung, hieß es. Gleichzeitig verzeichneten viele Unternehmen weiterhin hohe Gewinne und schütteten Milliarden Euro an Dividenden aus, betonten die Autoren der Studie Malte Lübker und Thilo Janssen mit Verweis etwa auf die deutsche Automobilindustrie. Das laufende Jahr könne damit „von einer Umverteilung zulasten der Beschäftigten“ geprägt sein.

Um dem entgegenzusteuern, seien hohe Lohnforderungen in Branchen mit guter Gewinnentwicklung durchaus berechtigt und für die Unternehmen auch zu verkraften, erklärten die Fachleute. Laut ihrer Analyse ergibt sich sowohl für Deutschland als auch in der Europäischen Union „ein gesamtwirtschaftliches Potenzial für Lohnsteigerungen von etwa sechs Prozent“.

Die Autoren räumen ein, dass jeder Ausblick momentan „mit einer ungewöhnlich hohen Unsicherheit behaftet“ sei. „Einseitige Forderungen“ an die Gewerkschaften zum Verzicht auf Lohnsteigerungen griffen jedoch zu kurz, sagten Lübker und Janssen. Angebrachter wäre ihrer Meinung nach „ein Appell an die Unternehmen, ihrerseits 'Gewinnzurückhaltung' zu üben“. Für ihren Bericht hatten die Forscher nach eigenen Angaben Datenmaterial für alle 27 EU-Länder ausgewertet, unter anderem die Prognosen der Europäischen Kommission.