Missbrauchsvorwürfe gegen Ex-Adveniat-Geschäftsführer Stehle

Missbrauchsvorwürfe gegen Ex-Adveniat-Geschäftsführer Stehle
Als Geschäftsführer des katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat soll Emil Stehle in den 1970er Jahren Priestern beim Vertuschen ihrer Missbrauchstaten geholfen haben. Auch gegen ihn selbst gibt es nach neuen Erkenntnissen Missbrauchsvorwürfe.

Bonn, Essen (epd). Der frühere Bischof und Geschäftsführer des katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Emil Stehle, soll einer Untersuchung zufolge minderjährige Mädchen missbraucht und anderen Missbrauchstätern beim Untertauchen geholfen haben. Zu diesem Schluss kommt eine unabhängige Untersuchung der Kölner Rechtsanwältin Bettina Janssen im Auftrag der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, die am Montag in Bonn veröffentlicht wurde. Gegen Stehle (1926-2017) finden sich 16 Meldungen und Hinweise zu sexuellem Missbrauch in dem Bericht. Zudem soll er drei Priestern in den 1970er Jahren geholfen haben, sich Strafverfahren in Deutschland zu entziehen.

Erstmals war Stehles Name im Zusammenhang mit Missbrauch in dem vergangenen September veröffentlichten Missbrauchsgutachten des Bistums Hildesheim aufgetaucht. Er wurde darin belastet, einen Priester gedeckt und unterstützt zu haben, der in Paraguay untergetaucht war.

In die neue Untersuchung seien nun jedoch auch neue Fälle eingeflossen, die Stehle selbst belasten. Acht betroffene Frauen hatten sich seit der Veröffentlichung des Hildesheimer Gutachtens gemeldet. Die insgesamt 16 in der jetzigen Untersuchung aufgelisteten Fälle beziehen sich laut Mitteilung der Bischofskonferenz auf Stehles Zeit als Priester in Bogotá (Kolumbien), Adveniat-Geschäftsführer in Essen sowie später als Weihbischof von Quito und als Bischof von Santo Domingo in Ecuador und umfassen eine Zeitspanne von rund 30 Jahren. Unter seinen Opfern waren dem Bericht zufolge Mädchen und junge Frauen, die er zum Teil mit Alkohol gefügig machte. In einem Fall ist den Akten zufolge nicht auszuschließen, dass Stehle auch der Vater eines von ihm missbrauchten Mädchens sein könnte. Er habe es aufgefordert, sich auszuziehen und es „befummelt“.

In seiner Zeit als Adveniat-Geschäftsführer in Essen war Stehle zugleich auch Leiter einer Koordinationsstelle, die deutsche Priester während ihres Dienstes in Lateinamerika begleitete. In dieser Funktion soll er drei Priestern geholfen haben, sich vor den deutschen Strafverfolgungsbehörden zu verstecken.

Zwei der drei Priester wurden demnach wegen Sexualdelikten an Minderjährigen gesucht. In dem dritten Fall sei der genaue Tatvorwurf den Akten nicht zu entnehmen gewesen, heißt es in der Mitteilung. Durch Namenscodierungen, Tarnadressen und Unterhaltshilfen habe Stehle dafür gesorgt, dass die drei Männer in Lateinamerika versteckt bleiben konnten. Einer dieser Männer, der in Deutschland wegen Straftaten sexuellen Missbrauchs gegen minderjährige Jungen gesucht wurde, soll in Paraguay mit einem männlichen „Waisenkind“ bzw. „Sohn“ in einem Haushalt gelebt haben, heißt es in der Untersuchung. Stehle habe dies gewusst, aber nicht den Behörden angezeigt oder den Personalverantwortlichen im zuständigen Bistum mitgeteilt.

Es sei möglich, dass es weitere sexuelle Übergriffe durch Stehle gegeben habe, sagte Rechtsanwältin Janssen. Auch könne es durchaus sein, dass er weiteren Priestern in Lateinamerika zur Tarnung verholfen habe.

Der Hauptgeschäftsführer von Adveniat, Martin Maier, bat die Opfer von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch um Entschuldigung. Viel zu lange seien die Schandtaten Stehles im Dunkeln geblieben, erst die Meldungen von Betroffenen hätten eine Aufarbeitung möglich gemacht, sagte der Jesuitenpater. Der Bericht ist laut der Generalsekretärin der Bischofskonferenz, Beate Gilles, kein Schlusspunkt, sondern werde „noch zu klärende Konsequenzen“ nach sich ziehen.